Die National Association of the Deaf (NAD), der größte Gehörlosenverband in den USA, hat am 28. Mai 2025 offiziell Klage gegen das Weiße Haus eingereicht. Der Grund: Seit Januar 2025 gibt es bei den Pressekonferenzen des Präsidenten keine Dolmetscher:innen in Amerikanischer Gebärdensprache (ASL) mehr. Damit verlieren Millionen gehörlose und schwerhörige Menschen in den USA den direkten Zugang zu wichtigen politischen Informationen.
Was ist passiert?
Unter der Regierung von Präsident Joe Biden wurden alle offiziellen Pressebriefings im Weißen Haus mit Dolmetscher:innen in ASL übertragen. Diese waren gut sichtbar über verschiedene Kanäle wie wh.gov/live, Facebook, X (ehemals Twitter) und YouTube zugänglich.
Doch seit Donald Trump im Januar 2025 erneut Präsident der Vereinigten Staaten ist, wurde diese Praxis still und ohne Erklärung beendet. Seitdem gibt es keine Dolmetschung in ASL mehr bei öffentlichen Pressekonferenzen des Weißen Hauses.
Warum klagt die NAD?
Die NAD sieht in dieser Entscheidung eine klare Diskriminierung gehörloser Menschen. Der Verband argumentiert, dass die Einstellung der ASL-Dolmetschdienste eine Verletzung mehrerer US-Gesetze ist, insbesondere:
- Rehabilitation Act von 1973, Section 504: Dieses Gesetz schützt Menschen mit Behinderungen vor Benachteiligung durch Behörden und öffentliche Einrichtungen.
- Erster Verfassungszusatz (Redefreiheit und Informationszugang).
- Fünfter Verfassungszusatz (Recht auf Gleichbehandlung).
Die Klage wurde gemeinsam mit zwei gehörlosen Bürgern, Derrick Ford und Matthew Bonn, eingereicht.
Stimmen aus der Gehörlosen-Community
Dr. Bobbie Beth Scoggins, die derzeitige Interimschefin der NAD, erklärte in einer öffentlichen Mitteilung:
„Gehörlose und schwerhörige Amerikaner:innen haben das Recht auf den gleichen Zugang zu Informationen der Regierung wie hörende Menschen. Die Entscheidung, keine ASL-Dolmetscher:innen mehr bereitzustellen, ist eine direkte Verletzung dieses Rechts.“
Auch international regt sich Kritik. Lukas Huber vom Österreichischen Gehörlosenbund kommentierte gegenüber dem Nachrichtenportal BIZEPS:
„Diese Entscheidung ist zutiefst beschämend und verletzt grundlegende Menschenrechte. Die Klage der NAD ist nicht nur juristisch notwendig, sondern auch ein wichtiges Zeichen gegen Ignoranz und für die Würde gehörloser Menschen.“
Ein Blick zurück: Die Situation unter Trump und Biden
Bereits im Jahr 2020 – während der ersten Amtszeit von Donald Trump – hatte die NAD erfolgreich gegen das Weiße Haus geklagt, um ASL-Dolmetscher:innen bei den Pressekonferenzen zur COVID-19-Pandemie durchzusetzen. Damals hatte das Gericht entschieden, dass die Regierung verpflichtet ist, auch gehörlosen Bürger:innen den Zugang zu wichtigen Gesundheitsinformationen zu ermöglichen.
Unter Präsident Joe Biden wurde diese Maßnahme freiwillig und dauerhaft eingeführt. Fast alle Pressebriefings wurden mit Gebärdensprachdolmetschung ausgestrahlt – ein großer Fortschritt für die Inklusion.
Was fordert die NAD konkret?
Die NAD verlangt, dass die ASL-Dolmetschung bei Pressekonferenzen sofort wieder eingeführt wird. Sie möchte sicherstellen, dass:
- Gehörlose und schwerhörige Menschen gleichberechtigt informiert werden,
- die US-Regierung ihren Verpflichtungen zur Barrierefreiheit nachkommt,
- der Zugang zu demokratischen Prozessen für alle Bürger:innen möglich bleibt.
Warum ist das Thema wichtig – auch für Europa?
Was in den USA passiert, hat oft eine Signalwirkung auf andere Länder. Die USA sind ein wichtiges Vorbild in Fragen der Barrierefreiheit und der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Wenn das Weiße Haus beginnt, barrierefreie Angebote wieder zurückzunehmen, könnten andere Länder ähnliche Schritte rechtfertigen.
Deshalb ist die Klage der NAD nicht nur ein nationales, sondern ein internationales Zeichen: Für den Schutz von Menschenrechten, für die Inklusion und für den gleichberechtigten Zugang zu Informationen.
Tipps für Aktivist:innen und Verbände
- Informieren Sie sich über Ihre Rechte: In vielen Ländern gibt es Gesetze, die Barrierefreiheit vorschreiben (z. B. Behindertengleichstellungsgesetz, UN-Behindertenrechtskonvention).
- Sammeln Sie Beweise: Wenn Dolmetschdienste gestrichen werden, dokumentieren Sie dies – mit Screenshots, Mails oder Zeitangaben.
- Bilden Sie Allianzen: Arbeiten Sie mit anderen Betroffenen und Organisationen zusammen, um stärker aufzutreten.
- Nehmen Sie Kontakt zu Medien auf: Öffentlichkeit hilft, politischen Druck aufzubauen.
- Lassen Sie sich juristisch beraten: In vielen Ländern gibt es kostenlose Rechtsberatung für Menschen mit Behinderung oder Selbsthilfegruppen.
Fazit
Die Klage der NAD zeigt: Der Kampf um Barrierefreiheit ist noch lange nicht vorbei. Es geht um mehr als nur Dolmetscher:innen bei Pressekonferenzen – es geht um gleiche Rechte, gleiche Chancen und den Respekt gegenüber gehörlosen Menschen. Die Entscheidung des Weißen Hauses wird jetzt vor Gericht geprüft. Und die Welt schaut genau hin.
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

