In vielen Behörden gibt es eine bevorzugte Behandlung für bestimmte Gruppen von Menschen. Dazu gehören werdende Mütter, Besucher mit Kleinkindern, Schwerbehinderte und Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht lange warten können. Doch wie sieht es mit Gehörlosen aus? Sie können nicht telefonieren, haben oft Schwierigkeiten bei der Organisation und landen häufig bei den falschen Ansprechpartnern. Ist es gerecht, dass Hörende ihre Termine einfach per Telefon klären können, während Gehörlose oft lange warten müssen?
Gibt es ein Vortrittsrecht für Gehörlose?
Ein allgemeines Gesetz, das Gehörlosen immer Vortritt in Behörden gibt, existiert nicht. Allerdings haben viele Behörden Regelungen, die Schwerbehinderten eine bevorzugte Behandlung ermöglichen. Gehörlose mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 % sind offiziell als schwerbehindert anerkannt. Das bedeutet, dass sie eigentlich unter diese Regelung fallen sollten.
Doch in der Realität sieht es anders aus:
- Gehörlose können nicht telefonieren, um sich vorab zu informieren.
- Viele Behörden antworten nicht auf E-Mails (ca. 95 % der Gehörlosen berichten über fehlende Rückmeldungen).
- Oft müssen Gehörlose lange warten, nur um dann zu erfahren, dass sie bei der falschen Stelle sind oder erst einen Termin brauchen.
- Hörende haben einen klaren Vorteil, weil sie sich vorher telefonisch erkundigen können.
Das ist eine große Ungerechtigkeit, die dringend verbessert werden muss!
Schwerbehindertenausweis als Nachweis nutzen
Gehörlose werden oft nicht als schwerbehindert erkannt, weil ihre Behinderung unsichtbar ist. Deshalb sollten sie ihren Schwerbehindertenausweis vorlegen, um ihren Anspruch auf eine bevorzugte Behandlung zu zeigen.
Was tun?
- Gleich bei der Anmeldung den Schwerbehindertenausweis zeigen.
- Auf das Vortrittsrecht für Schwerbehinderte hinweisen: Falls die Behörde Schwerbehinderte bevorzugt behandelt, gilt das auch für Gehörlose mit GdB 80-100 %.
- Falls die Behörde den Vortritt verweigert:
- Eine schriftliche Begründung verlangen.
- Auf das Recht auf Barrierefreiheit (§ 10 BGG, § 82 SGB IX) hinweisen.
- Falls nötig, eine Beschwerde beim Behindertenbeauftragten einreichen.
Problem: Kein Gebärdensprachdolmetscher (GSD) verfügbar
Ein weiteres großes Problem für Gehörlose ist, dass kein Gebärdensprachdolmetscher (GSD) verfügbar ist. Behörden sind nicht verpflichtet, sofort einen Dolmetscher bereitzustellen. Dadurch entstehen zusätzliche Hürden:
- Gehörlose verstehen die Informationen nicht richtig.
- Sie müssen sich mit schriftlicher Kommunikation behelfen, was oft zu Missverständnissen führt.
- Sie verlieren viel Zeit durch Wartezeiten und Fehlinformationen.
Lösungen:
- Bevorzugte Bearbeitung fordern, damit Gehörlose nicht unnötig lange warten.
- Behörden auf ihre Pflicht zur barrierefreien Kommunikation hinweisen (§ 10 BGG, § 82 SGB IX).
- Schriftlich eine schnellere Lösung verlangen, wenn es wiederholt Probleme gibt.
Fazit
Gehörlose mit einem GdB von 100 % sollten eigentlich Vortritt in Behörden haben, wenn dort Schwerbehinderte bevorzugt behandelt werden. Doch in der Praxis werden sie oft benachteiligt, weil sie nicht telefonieren können, keine E-Mail-Antworten erhalten und häufig an falsche Stellen verwiesen werden.
Die Lösung? Gehörlose müssen aktiv ihren Schwerbehindertenausweis vorlegen und auf ihre Rechte hinweisen. Falls eine Behörde sie trotzdem benachteiligt, sollten sie eine schriftliche Beschwerde einreichen. Nur so kann langfristig Druck auf die Behörden ausgeübt werden, damit sich etwas ändert.

