Viele Menschen mit Hörbehinderung nutzen Hörgeräte, um ihr Leben zu erleichtern. Doch für taube Menschen, die kaum oder gar nicht hören können, sind Hörgeräte oft keine echte Lösung. Viele von ihnen fühlen sich von der Hörgeräte-Industrie und den Akustikern vergessen. In der Werbung sieht man fast ausschließlich Angebote für schwerhörige Menschen, die noch einen Resthörvermögen haben. Für taube Menschen, die Gebärdensprache als wichtigste Kommunikationsform nutzen, gibt es kaum passende Angebote oder Unterstützung.
Dieser Artikel zeigt die Probleme, erklärt die Hintergründe und stellt Fragen, warum Gehörlose bis heute in diesem Bereich kaum Beachtung finden.
Kaum Hörgeräte für taube Menschen
Wer einen sehr hohen Hörverlust von über 80 Prozent hat, findet nur wenige Geräte, die überhaupt stark genug sind. Hörgeräteakustiker konzentrieren sich meist auf Menschen, die noch etwas hören können. Die Industrie stellt vor allem digitale Geräte her, die Sprache verstärken, aber Umgebungsgeräusche herausfiltern. Für Gehörlose ist das wenig hilfreich, da sie die Sprache auch mit diesen Geräten oft nicht verstehen können.
Hinzu kommt: Nur sehr wenige Hörgeräteakustiker können Gebärdensprache. Gehörlose müssen manchmal 100 Kilometer oder mehr fahren, um einen Akustiker zu finden, der sie wirklich versteht. Das sorgt für Frust und das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.
Werbung richtet sich nur an Schwerhörige
In Prospekten, Internetanzeigen und TV-Spots sieht man fast ausschließlich Werbebilder, die schwerhörige Menschen ansprechen. Es geht um „besseres Sprachverstehen“, „mehr Klangqualität“ und „digitale Technik“. Doch Gehörlose kommen darin überhaupt nicht vor.
Die Werbung macht so deutlich: Für die Industrie existieren Gehörlose als Zielgruppe praktisch nicht. Dabei könnten gerade sie von starker Technik profitieren – oder zumindest Beratung erhalten, welche Alternativen es gibt.
Wo liegen die größten Probleme?
Kaum Angebote für sehr hohen Hörverlust.
Wer mehr als 80 % Hörverlust hat, findet nur wenige Geräte, die wirklich helfen. Viele Modelle zielen auf Sprachverstehen bei Resthörvermögen. Für taube Menschen bringt das oft wenig Nutzen.
Beratung ohne Gebärdensprache.
Nur wenige Akustiker beherrschen DGS. Häufig müssen Gehörlose weit fahren, um eine barrierefreie Beratung zu bekommen. Das erzeugt Frust, Misstrauen und das Gefühl, übersehen zu werden.
Werbung blendet Gehörlose aus.
Prospekte und Spots betonen „besseres Sprachverstehen“ und „digitale Filter“. Gehörlose kommen kaum vor – als Zielgruppe scheinen sie nicht mitzuzählen.
Fehlende Wahlfreiheit in der Kommunikation.
Video-Dolmetschen ist nicht überall verlässlich (z. B. Funklöcher, Kellerräume) und passt nicht zu allen Situationen. Für sensible Gespräche wünschen viele Gehörlose sichtbare, anwesende Dolmetscherinnen/Dolmetscher.
Einfluss von Herstellern und Gesetzen.
Viele Gehörlose erleben, dass Hörgerätehersteller und gesetzliche Vorgaben ihre Lebensqualität einschränken. Bestimmte Geräte, die früher nützlich waren, verschwanden vom Markt, weil sie nicht mehr bezahlt oder zugelassen wurden. Die Folge: weniger Wahlfreiheit und das Gefühl, dass ihre Bedürfnisse nicht ernst genommen werden.
Analoge vs. digitale Hörgeräte – was hat sich geändert?
Viele Gehörlose berichten, dass analoge Hörgeräte ihnen früher mehr Orientierung gaben: hohe Lautstärke, keine starke Unterdrückung von Umgebungsgeräuschen – man spürte „es ist jemand im Raum“, eine Tür fällt, ein Auto nähert sich. Digitale Geräte filtern Geräusche, um Sprache klarer zu machen. Für Schwerhörige ist das hilfreich, für Gehörlose kann es wichtige Umweltreize wegnehmen.
In den letzten Jahren sind analoge Geräte weitgehend verschwunden. Hersteller setzen auf digitale Technik; Kassenverträge und Märkte folgen. Für Gehörlose fühlt sich das wie ein Verlust an – eine Option ist weg, ohne dass gleichwertige Alternativen bereitstehen.
Warum wurden analoge Hörgeräte abgeschafft?
Mehrere Entwicklungen kamen zusammen: technische Standardisierung, Fokus auf Sprachverstehen, wirtschaftliche Entscheidungen der Hersteller und Kostenträger. Digitale Systeme gelten als „State of the Art“ und dominieren die Versorgung. Für Gehörlose wirkt diese Entwicklung jedoch intransparent: Eine hilfreiche Technik verschwindet, die neue passt oft nicht zu ihren Bedürfnissen.
Zentrale, berechtigte Frage aus der Community:
Haben der Deutsche Gehörlosen-Bund (DGB), die Weltföderation der Gehörlosen (WFD) und EUDeaf nichts dagegen getan?
Aus heutiger Sicht ist öffentlich wenig Debatte sichtbar. Mögliche Stellungnahmen, Gespräche oder Verhandlungen sind nicht immer dokumentiert oder leicht auffindbar. Klar ist: Viele Gehörlose wünschen sich, dass Verbände dieses Thema lauter, konkreter und dauerhaft auf die Agenda setzen – gemeinsam mit Fachleuten, Politik und Kassen.
Verantwortung der Verbände
Viele Betroffene kritisieren: Die großen Gehörlosenverbände tragen hier eine entscheidende Verantwortung. Wenn Gehörlose heute weniger Wahlfreiheit bei Hörgeräten haben, liegt das nicht nur an Herstellern oder Krankenkassen, sondern auch daran, dass ihre Interessen politisch und gesellschaftlich zu leise vertreten wurden.
Der Deutsche Gehörlosen-Bund, WFD und EUDeaf stehen für die Rechte der Deaf-Community. Gehörlose erwarten, dass diese Organisationen Missstände klar ansprechen, Druck auf Politik und Krankenkassen machen und Alternativen einfordern. Aus Sicht vieler Betroffener geht es nicht um kleine technische Details, sondern um eine Frage von Teilhabe, Lebensqualität und Gerechtigkeit.
Gehörlose fühlen sich diskriminiert
Das Ergebnis: Gehörlose stehen oft ohne echte Unterstützung da. Sie bekommen Geräte, die ihnen nicht helfen, und Beratung ohne Gebärdensprache. Wer auf Augenhöhe beraten werden möchte, muss lange Wege in Kauf nehmen.
Viele Gehörlose empfinden das als klare Diskriminierung. Sie fordern, dass ihre Bedürfnisse ernst genommen werden:
- Hörgeräteakustiker sollen Gebärdensprache lernen oder Dolmetscher bereitstellen.
- Es sollte wieder Hilfsmittel geben, die wirklich für Gehörlose geeignet sind.
- Werbung und Beratung müssen auch Gehörlose ansprechen – nicht nur Schwerhörige.
Fazit
Die Hörgerätewelt ist auf Schwerhörige ausgerichtet. Gehörlose, die Gebärdensprache nutzen, werden zu selten mitgedacht. Analoge Geräte – für viele früher hilfreich – sind verschwunden, ohne dass gleichwertige Lösungen bereitliegen. Die Folge: weite Wege, Barrieren in der Beratung und das Gefühl, nicht mitzuzählen.
Viele Gehörlose sehen eine doppelte Verantwortung: Hörgerätehersteller und gesetzliche Vorgaben schränken ihre Hörqualität und ihr Leben ein, und die eigenen Verbände haben bisher nicht genug Druck aufgebaut, um echte Veränderungen herbeizuführen.
Akustiker können sofort handeln: DGS-Kompetenz, verlässliche Dolmetschung, transparente Zielklärung und alltagsnahe Einstellungen. Verbände und Politik sollten Orientierung, Sicherheit und Teilhabe als gleichwertige Ziele anerkennen – und die Bedürfnisse der Deaf-Community sichtbar, laut und dauerhaft vertreten.

