Frankreich – Am Mittwoch, den 30. April 2025, erlebten rund zehn gehörlose und schwerhörige Menschen eine ganz besondere Führung: Zum ersten Mal wurde das Schloss von Dinan (Côtes-d’Armor, Frankreich) mit Unterstützung einer professionellen Gebärdensprachdolmetscherin für sie zugänglich gemacht. Anlass war der Internationale Tag für Mobilität und Barrierefreiheit. Die Resonanz der Teilnehmenden war durchweg positiv – und der Wunsch nach Wiederholungen wurde laut.
Gebärdensprache bringt Geschichte zum Leben
Vor dem imposanten Herzogsturm beginnt die Führung unter Bäumen, wo Solène Gandanger, Kulturvermittlerin im Schloss, den Besucher:innen einen Überblick über die Anlage gibt. Doch diesmal wird nicht nur gesprochen – jede Information wird von der Gebärdensprachdolmetscherin Kelly Sauvage visuell übersetzt. Alle Teilnehmenden beobachten aufmerksam ihre Gesten.
Schon in den ersten Minuten entsteht ein lebendiger Austausch. Die Dolmetscherin überträgt Fragen und Antworten in beide Richtungen: Wie hoch ist der Turm? – Wurde das Schloss jemals angegriffen? – Die Besucher:innen sind aktiv dabei, stellen interessiert Fragen und lachen gemeinsam über Ratespiele zur Turmhöhe.
Eine Teilnehmerin, Nathalie aus Plouër-sur-Rance, ist besonders aufmerksam: Sie überlegt, selbst in Zukunft Aktivitäten in Gebärdensprache anzubieten und besucht die Führung zur Inspiration.
Technische Begriffe in Gebärdensprache – eine Herausforderung, die gemeistert wird
Die Führung führt weiter durch die Ehrenhalle des Herzogsturms. Themen wie Kriege, Stadtmauern oder sogenannte „Maschikulis“ (eine mittelalterliche Verteidigungsarchitektur) werden durch präzise Gebärden erklärt. Auch schwierige Begriffe wie Maître Queux (altfranzösisch für Küchenchef) stellt die Dolmetscherin geschickt dar – oder buchstabiert sie, wenn es keine direkte Gebärde gibt.
In jedem Raum des Schlosses – vom Speisesaal über die Kapelle bis hin zur Schlafkammer – zeigen die Teilnehmenden großes Interesse. Es werden viele Fragen zu Lebensgewohnheiten im Mittelalter gestellt: Welche Kleidung trug man? Was aß man damals? Wie war das Leben im Schlossalltag organisiert?
Am Ende erklimmen alle gemeinsam den höchsten Punkt des Schlosses – das Dach. Dort genießen sie einen beeindruckenden Rundblick über die gesamte mittelalterliche Stadt Dinan.
Zukunftswunsch: Mehr barrierefreie Kulturangebote
Obwohl die Führung länger dauerte als geplant, waren alle begeistert. Für viele war es das erste Mal, dass sie dieses geschichtsträchtige Denkmal besuchen konnten – obwohl einige aus der Region stammen. So sagte etwa Béatrice: „Ich komme von hier, aber war noch nie im Schloss. Die Texte auf Tafeln zu lesen ist für uns schwer – so eine Führung ist viel besser.“
Auch andere äußerten den Wunsch nach mehr solchen Angeboten. Véronique betonte: „Solche Führungen sind sehr wichtig. Viele Gehörlose können nicht gut lesen, weil sie nie richtig Lesen und Schreiben gelernt haben. Das betrifft viele. Gebärdensprache hilft, wirklich alles zu verstehen.“
Solène Gandanger, die Vermittlerin des Schlosses, nimmt das Feedback ernst. Sie plant bereits eine neue Führung: „Wir könnten bald die andere Turmseite besichtigen – mit dem Schwerpunkt Mittelalterwaffen. Und vielleicht machen wir auch eine Stadtführung in Gebärdensprache.“
Fazit: Barrierefreie Kultur ist machbar – und notwendig
Diese erste gebärdensprachlich unterstützte Schlossführung in Dinan war ein voller Erfolg. Sie zeigt, wie wichtig inklusive Angebote sind, damit auch gehörlose und schwerhörige Menschen gleichberechtigt an Kultur teilnehmen können. Die große Nachfrage und das Engagement aller Beteiligten zeigen klar: Barrierefreiheit darf keine Ausnahme sein – sie muss zur Regel werden.
Die Hoffnung ist groß, dass dieses schöne Beispiel bald auch in anderen Städten Nachahmung findet.
Foto: OUEST-FRANCE

