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TV-Untertitel mangelhaft: Deaf24 fordert Verbesserungen

by info@deaf24.com

Viele gehörlose Menschen in Deutschland sind frustriert über die Qualität der Untertitel bei öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern. Obwohl ARD, ZDF, BR, SWR, WDR, MDR, RBB, HR, NDR und andere gesetzlich verpflichtet sind, barrierefreie Angebote bereitzustellen, gibt es in der Praxis große Probleme. Die Redaktion von Deaf24 hat zahlreiche Rückmeldungen von betroffenen Zuschauerinnen und Zuschauern erhalten. Die Kritikpunkte sind vielfältig – und sie zeigen: Die Untertitel entsprechen oft nicht den Bedürfnissen der Gehörlosen-Community.

 


Untertitel bei Live-Sendungen: Lücken, Aussetzer, fehlende Sätze

Besonders bei Live-Sendungen wie Nachrichtensendungen, Sportübertragungen, politischen Debatten oder Talkshows treten regelmäßig Probleme auf. Viele Gehörlose berichten, dass die Untertitel zu Beginn der Sendung gut funktionieren, aber nach wenigen Minuten einfach aussetzen. Manchmal erscheinen nach 10 Sätzen plötzlich keine neuen Untertitel mehr – teilweise für ein bis zwei Minuten.

Während dieser Aussetzer gehen wichtige Aussagen verloren. Die gehörlosen Zuschauerinnen und Zuschauer bekommen dann nicht mit, worum es in der Diskussion geht. Sie verlieren den Anschluss – und das, obwohl sie wie alle anderen den Rundfunkbeitrag zahlen und ein Recht auf vollständige Information haben.

 

Technik funktioniert – Probleme liegen bei der Organisation

Ein weit verbreitetes Missverständnis ist, dass technische Probleme für die Untertitel-Ausfälle verantwortlich sind. Doch nach Informationen von Insiderquellen liegt die Ursache meist woanders: Die Technik funktioniert – aber die Abläufe in den Redaktionen oder bei den sogenannten Respeakern (die Live-Untertitel mit Sprachsoftware erstellen) sind unzureichend organisiert.

Manche Sender setzen zu wenig Personal ein oder arbeiten mit unzureichend vorbereiteten Kräften. Es kommt auch vor, dass Inhalte aus Zeitdruck oder aus angeblich „pädagogischen Gründen“ bewusst ausgelassen werden. Die Verantwortung liegt damit bei den Sendern – nicht bei der Technik.

 

Kürzungen und Zensur: Warum werden Inhalte verändert?

Ein weiteres großes Problem ist die inhaltliche Veränderung von Untertiteln. Viele Aussagen werden vereinfacht, gekürzt oder komplett weggelassen. Besonders bei politischen Gesprächen oder hitzigen Diskussionen fehlen wichtige Aussagen – selbst dann, wenn sie im Originalton deutlich zu hören sind.

Viele gehörlose Menschen empfinden dies als Zensur. Sie möchten vollständig wissen, was gesagt wurde – auch wenn es sich um beleidigende oder umgangssprachliche Wörter handelt. Ein Beispiel: Wenn im Originalton jemand „Arschloch“ sagt, steht im Untertitel oft nur „Unverschämtheit“ oder gar nichts. Dadurch wird der Inhalt verfälscht. Doch Gehörlose können selbst entscheiden, wie sie mit solchen Ausdrücken umgehen. Sie wollen nicht entmündigt werden.

 

Gesetzlich garantiert – aber keine Kontrolle der Qualität

Laut Medienstaatsvertrag und UN-Behindertenrechtskonvention haben gehörlose Menschen das Recht auf barrierefreie Information. Die Sender müssen dafür sorgen, dass ihre Programme für alle zugänglich sind. Doch obwohl diese Verpflichtung besteht, gibt es keine unabhängige Qualitätskontrolle.

Ein wichtiger Wendepunkt steht jedoch bevor:
Ab dem 1. Juli 2025 tritt eine gesetzliche Pflicht in Kraft, wonach alle Sender zur barrierefreien Bereitstellung von Untertiteln verpflichtet sind. Diese Regelung betrifft sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Sender. Doch viele in der Gehörlosen-Community befürchten, dass sich trotz der Gesetzesänderung nicht automatisch die Qualität verbessern wird – wenn es weiterhin an Kontrolle, Sanktionen und Mitbestimmung fehlt.

Oft bewerten sich die Sender selbst – und veröffentlichen nur Statistiken, wie viele Sendungen untertitelt wurden. Über die Qualität wird selten gesprochen. Es fehlen neutrale Beschwerdestellen mit echter Wirkung. Fehler werden nicht öffentlich gemacht, und es gibt kaum Konsequenzen für mangelhafte Untertitel.

 

Gehörlose ohne Mitbestimmung – trotz Betroffenheit

Viele Angebote werden ohne Mitwirkung von gehörlosen Menschen geplant. Es gibt kaum Austausch mit Gehörlosenvertretungen, keine Einbindung in die Gestaltung der Untertitel und keine Beteiligung an der Kontrolle. Die Programme werden von hörenden Redakteuren konzipiert – ohne Rücksprache mit der Zielgruppe.

Dabei ist die Erfahrung der Gehörlosen-Community sehr wertvoll. Sie wissen genau, welche Informationen wichtig sind: etwa die Betonung, der Tonfall oder auch emotionale Reaktionen im Gespräch. Doch diese Elemente werden in den Untertiteln oft nicht dargestellt – oder gar ausgelassen.

 

Forderungen von Deaf24 an die Sender und die Politik

Die Redaktion von Deaf24 fordert gemeinsam mit vielen Betroffenen deutliche Verbesserungen im Untertitel-Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender:

  1. Vollständige Untertitel ohne Aussetzer bei allen Live-Sendungen.
  2. Unverfälschte Inhalte ohne Zensur – auch umgangssprachliche oder emotionale Ausdrücke sollen übernommen werden.
  3. Unabhängige Qualitätskontrolle durch externe Fachstellen.
  4. Beteiligung von gehörlosen Menschen an Planung, Umsetzung und Kontrolle – zum Beispiel über einen Beirat.
  5. Transparenz bei Fehlern – die Sender sollen öffentlich erklären, was verbessert wird.

 

Fazit

Die aktuellen Untertitel-Angebote der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender werden dem Anspruch der Barrierefreiheit nicht gerecht. Viele gehörlose Menschen fühlen sich ausgeschlossen, übergangen oder sogar zensiert. Dabei ist barrierefreier Zugang kein freiwilliger Service – sondern ein Grundrecht.

Mit dem Inkrafttreten der gesetzlichen Verpflichtung ab dem 1. Juli 2025 besteht nun die Chance, echte Verbesserungen zu erreichen. Doch ein Gesetz allein genügt nicht – es braucht engagierte Umsetzung, wirksame Kontrolle und die Mitwirkung der Gehörlosen selbst, damit aus Pflicht auch echte Teilhabe wird. Deaf24 wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass gehörlose Zuschauerinnen und Zuschauer vollständig und gleichberechtigt am Mediengeschehen teilnehmen können.

Deaf24 wird künftig verstärkt Fernsehsendungen beobachten und kritisch analysieren. Ziel ist es, Missstände bei der Untertitelung öffentlich zu machen, konkrete Beispiele zu dokumentieren und eine konstruktive Diskussion anzustoßen. Die Redaktion nimmt die Angebote der Sender genau unter die Lupe – im Interesse der Gehörlosen-Community und für echte Barrierefreiheit in den Medien.

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