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Keine E-Mail-Pflicht: Barrieren für Gehörlose im Alltag

by info@deaf24.com

Viele Gehörlose erleben im Alltag unnötige Hürden, wenn sie mit Behörden, Firmen oder Organisationen in Kontakt treten. Eine der größten Schwierigkeiten betrifft die Kommunikation: Häufig wird vorausgesetzt, dass Anfragen telefonisch gestellt werden oder dass ein fester Termin vereinbart werden muss, bevor überhaupt Informationen gegeben werden. Für Menschen, die nicht hören können, ist das frustrierend und belastend.

Besonders problematisch ist, dass viele Stellen keine klare Verpflichtung haben, barrierefreie Kommunikationswege wie E-Mail oder Messenger konsequent anzubieten. Dadurch sind Gehörlose oft gezwungen, persönlich vorbeizugehen, um einfache Fragen zu klären – etwas, das für Hörende oft in einem kurzen Telefonat erledigt ist.

 

Fehlende E-Mail-Pflicht erschwert den Alltag

Zwar haben viele öffentliche Einrichtungen, Arztpraxen oder Servicezentren E-Mail-Adressen, doch diese werden nicht immer zuverlässig genutzt. Antworten lassen oft Tage oder sogar Wochen auf sich warten – manchmal kommt gar keine Rückmeldung. Für Gehörlose, die nicht telefonisch nachhaken können, ist das ein großes Problem.

Noch schwieriger ist es, wenn eine Organisation gar keine E-Mail-Kommunikation zulässt oder nur ein Kontaktformular anbietet, das lange Bearbeitungszeiten hat. Das widerspricht dem Prinzip der Barrierefreiheit, das eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Keine schnelle Rückantwort ist dabei ein besonders ärgerlicher Punkt.
Selbst wenn die Anfrage dringend ist – zum Beispiel, weil eine Frist abläuft oder ein Termin bevorsteht – dauert es oft mehrere Tage, bis eine Antwort kommt. Für Hörende ist es leicht, nach ein paar Stunden kurz anzurufen und den aktuellen Stand zu erfragen. Für Gehörlose dagegen bleibt nur das Warten oder der persönliche Gang zur Behörde. Das kann entscheidende Zeit kosten.

Noch schwieriger ist es, wenn eine Organisation gar keine E-Mail-Kommunikation zulässt oder nur ein Kontaktformular anbietet, das lange Bearbeitungszeiten hat. Das widerspricht dem Prinzip der Barrierefreiheit, das eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Beispiel:

Eine gehörlose Frau schreibt ihrer Arztpraxis eine E-Mail, um nach einem Laborergebnis zu fragen. Nach einer Woche hat sie immer noch keine Antwort. Weil sie nicht anrufen kann, muss sie mit dem Bus 20 Minuten zur Praxis fahren – nur um zu erfahren, dass der Arzt im Urlaub ist und die Ergebnisse noch nicht vorliegen. Für Hörende hätte ein kurzer Telefonanruf gereicht.

 

Wenn persönliche Fragen kompliziert werden

Gehörlose berichten häufig, dass sie bei kurzen Fragen – zum Beispiel zu Öffnungszeiten, benötigten Formularen oder Abgabefristen – erst einmal einen Termin ausmachen müssen. Dadurch werden einfache Anliegen unnötig verzögert.

Hörende rufen in solchen Fällen einfach kurz an und bekommen sofort die Information. Gehörlose müssen dagegen oft persönlich erscheinen.

Beispiel:
Ein gehörloser Mann möchte beim Rathaus nur wissen, welche Unterlagen er für einen neuen Personalausweis braucht. Statt die Frage schnell zu beantworten, verweist die Mitarbeiterin auf einen Termin in zwei Wochen. Der Mann fährt schließlich selbst zum Rathaus, um direkt nachzufragen – eine Stunde Zeitverlust für eine Antwort, die am Telefon 30 Sekunden gedauert hätte.

 

„Mobile Telefone“ – wenn der direkte Draht fehlt

Viele Gehörlose beschreiben sich selbst scherzhaft, aber auch resigniert, als „mobile Telefone“: Sie müssen immer persönlich zu den Ansprechpartnern gehen, weil weder Telefon noch schnelle digitale Kommunikation möglich ist.

Das kostet Zeit, Nerven und oft auch Fahrtkosten. Besonders in ländlichen Regionen, wo Bus- und Bahnverbindungen selten sind, ist das eine große Belastung. Zudem arbeiten viele Ämter inzwischen nur noch mit vorheriger Terminvereinbarung, was spontane Vorsprachen erschwert.

Beispiel:
Eine gehörlose Mutter erhält einen Brief vom Jugendamt mit einer kurzen Rückfrage zu einem Formular. Sie schickt sofort eine E-Mail mit der Antwort – bekommt aber keine Reaktion. Nach vier Tagen fährt sie 25 Kilometer mit dem Auto zum Amt, um persönlich zu klären, dass alles in Ordnung ist.

 

Was Organisationen besser machen könnten

  1. Verbindliche E-Mail-Kommunikation
    Behörden, Arztpraxen und Unternehmen sollten verpflichtet sein, E-Mails innerhalb von ein bis zwei Werktagen zu beantworten.
  2. Messenger- und Chatdienste nutzen
    Offizielle Service-Kanäle über WhatsApp, Signal oder Threema könnten direkte, barrierefreie Kommunikation ermöglichen.
  3. Videochat-Angebote ausbauen
    Kurze Videoanrufe mit Gebärdensprachdolmetschern oder gebärdensprachkompetenten Mitarbeitenden könnten viele persönliche Vorsprachen ersetzen.
  4. Kurze Fragen sofort beantworten
    Einfache Anliegen sollten ohne Terminzwang geklärt werden – das spart Zeit für alle.
  5. Rückruf über Dolmetschdienst
    Wenn ein Telefongespräch notwendig ist, sollte ein Rückruf über einen Telefondolmetschdienst organisiert werden.

 

Tipps für Gehörlose im Alltag

  • Schriftliche Bestätigung verlangen: Nach einem persönlichen Besuch gleich um eine E-Mail oder Notiz bitten.
  • Mehrere Kanäle gleichzeitig nutzen: Anfrage per E-Mail, Kontaktformular und Messenger senden.
  • Fristen setzen: In Nachrichten um Rückmeldung bis zu einem festen Datum bitten.
  • Hörende Unterstützung einbeziehen: Freunde oder Bekannte bitten, parallel telefonisch nachzufassen.
  • Kommunikationsprobleme dokumentieren: Alle Versuche und fehlenden Antworten aufschreiben, um Verbesserungen einzufordern.

 

Fazit

Die fehlende E-Mail-Pflicht und die starke Abhängigkeit vom Telefon sind für Gehörlose ein massives Hindernis im Alltag. Viele müssen lange Wege auf sich nehmen, nur um kurze Fragen zu klären – etwas, das Hörende oft in wenigen Minuten per Telefon erledigen.

Barrierefreie Kommunikation ist kein Luxus, sondern ein Grundrecht. Organisationen müssen verbindliche digitale Kommunikationswege anbieten, schnelle Antworten garantieren und bereit sein, auch einfache Anliegen sofort zu bearbeiten.

Erst wenn Gehörlose nicht mehr „wie mobile Telefone“ hin- und herlaufen müssen, ist echte Barrierefreiheit erreicht – und zwar für alle.

Bild von Niek Verlaan auf Pixabay

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