Home Non udentiBildungEine besondere Koranschule für gehörlose Kinder in Indonesien

Eine besondere Koranschule für gehörlose Kinder in Indonesien

by info@deaf24.com

In Indonesien, dem Land mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit, stoßen gehörlose und schwerhörige Kinder seit jeher auf große Hürden im Bereich religiöser Bildung. Viele konnten nicht am Unterricht in Moscheen oder Koranschulen teilnehmen, weil die religiösen Texte ausschließlich mündlich vermittelt werden. In Yogyakarta, einer Universitätsstadt auf der Insel Java, wurde jedoch eine bahnbrechende Schule gegründet: Dort lernen gehörlose Kinder, den Koran in arabischer Gebärdensprache zu lesen und zu rezitieren.
Dieses Projekt ist einzigartig in Indonesien und bietet den Kindern nicht nur spirituellen Zugang, sondern auch neue Chancen auf Bildung, Selbstbewusstsein und gesellschaftliche Teilhabe.

 

 

Ursprung und Idee des Projekts

Die Schule wurde 2019 von Abu Kahfi gegründet. Seine Motivation entstand, als er erkannte, dass gehörlose Kinder in Indonesien im religiösen Bereich praktisch ausgeschlossen waren. Es gab kaum Angebote, die auf ihre Bedürfnisse abgestimmt waren.
Nach Begegnungen mit gehörlosen Menschen beschloss er, eine Madrassa (islamisches Internat) ausschließlich für gehörlose Kinder zu eröffnen. Sein Ziel war es, ihnen die Möglichkeit zu geben, die Religion in einer für sie zugänglichen Form kennenzulernen – durch Gebärdensprache.

Die Gründung war ein mutiger Schritt, da es zuvor keine vergleichbare Einrichtung gab. Heute gilt die Schule in Yogyakarta als Modellprojekt für Inklusion und religiöse Bildung.

 

Aufbau und Unterricht

Aktuell besuchen mehr als 110 Schülerinnen und Schüler die Einrichtung. Sie stammen aus ganz Indonesien, häufig aus armen Familien. Für diese Kinder sind Unterkunft, Unterricht und Materialien kostenlos, finanziert durch Spenden von Unterstützern.

Pädagogisches Konzept

Das Lernen ist eine große Herausforderung:

  • Die Kinder müssen den Koran in arabischer Gebärdensprache erlernen, obwohl ihre Muttersprache meist Indonesisch ist.
  • Religiöse Texte sind sehr abstrakt, sodass die Lehrkräfte viel Geduld und Kreativität benötigen.

Im Unterricht sitzen die Kinder meist im Kreis, aufmerksam und konzentriert. Vers für Vers wird der Koran gebärdet. Wichtige Elemente sind:

  • Wiederholung: Inhalte werden mehrfach gezeigt, bis sie verinnerlicht sind.
  • Gemeinsame Motivation: Applaus, High-Fives und gegenseitiges Anfeuern gehören zum Lernprozess.
  • Ganzheitlicher Unterricht: Neben Religion lernen die Kinder auch Mathematik, Naturwissenschaften und Fremdsprachen, damit sie später bessere Chancen an Hochschulen haben.

Diese Methode verbindet religiöse Bildung mit schulischem Wissen und fördert eine umfassende Entwicklung der Kinder.

 

Persönliche und soziale Wirkung

Die Schule verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: Einige Kinder sollen zu Hafiz werden, also den gesamten Koran auswendig beherrschen – ein sehr hohes Ansehen in der islamischen Welt.

Doch die Wirkung geht weit darüber hinaus:

  • Selbstbewusstsein: Viele Kinder berichten, dass sie nun stolz gebärden und sich nicht mehr schämen, in der Öffentlichkeit zu signieren.
  • Gleichberechtigung: Die Eltern erzählen, dass ihre Kinder durch die Schule endlich das Gefühl haben, verstanden und wertgeschätzt zu werden.
  • Gemeinschaft: Die Schüler finden Freundschaften und Anerkennung, die ihnen in ihrem bisherigen Leben oft fehlten.

Die Schule verändert damit nicht nur das Leben einzelner Kinder, sondern auch die Haltung von Familien und der Gesellschaft gegenüber Gehörlosen.

 

Ein seltenes Modell in Indonesien

In Indonesien spielen Madrassas eine zentrale Rolle: Rund 27.000 islamische Internate unterrichten etwa 4 Millionen Schüler. Doch für gehörlose Kinder gibt es nur ganz wenige spezialisierte Schulen.

Das macht die Einrichtung in Yogyakarta so wertvoll. Sie zeigt, dass religiöse Bildung barrierefrei gestaltet werden kann. Gleichzeitig beweist sie, dass Inklusion und hohe akademische Qualität vereinbar sind.
Internationale Medien haben bereits über das Projekt berichtet, und viele Familien sehen die Schule als großen Hoffnungsträger.

 

Stimmen der Schüler

Die Geschichten einzelner Kinder verdeutlichen, wie bedeutsam die Schule ist:

  • Laela, 20 Jahre, möchte später selbst Lehrerin in dieser Einrichtung werden. Für ihre Familie ist dies ein großer Stolz, da sie nicht nur Religion erlernt, sondern auch ein berufliches Ziel vor Augen hat.
  • Muhammad, 13 Jahre, kann bereits neun Kapitel des Korans in Gebärdensprache wiedergeben. Er erzählt, dass er in der Schule endlich Freunde gefunden und Anerkennung erlebt hat – etwas, das ihm zu Hause oft fehlte.

Solche Erfahrungen zeigen, wie sehr Bildung Zugehörigkeit und Lebensmut schenken kann.

 

Herausforderungen und Zukunft

Trotz der Erfolge steht die Schule vor wichtigen Herausforderungen:

  • Finanzierung: Das Projekt lebt fast ausschließlich von Spenden. Langfristig braucht es stabile Unterstützung, um den Unterricht und die Unterkunft weiter kostenfrei anzubieten.
  • Ausbildung von Lehrkräften: Es gibt nur wenige Pädagogen, die sowohl in islamischer Theologie als auch in Gebärdensprache geschult sind.
  • Ausweitung des Modells: Viele Familien in Indonesien wünschen sich ähnliche Schulen in anderen Regionen.

Die Schule in Yogyakarta ist bisher ein Einzelbeispiel – doch sie könnte Vorbild für ein ganzes Land werden.

 

Tipps und Anregungen für ähnliche Projekte

Aus den Erfahrungen in Yogyakarta lassen sich wertvolle Lehren ziehen:

  1. Barrierefreiheit ernst nehmen: Bildung, ob religiös oder säkular, sollte in einer Sprache angeboten werden, die Kinder verstehen können.
  2. Ganzheitlicher Ansatz: Religiöse Bildung allein reicht nicht – Kinder brauchen auch Allgemeinwissen für ihre Zukunft.
  3. Selbstbewusstsein fördern: Anerkennung, Lob und Gemeinschaft sind entscheidend für Kinder, die oft Ausgrenzung erfahren haben.
  4. Eltern einbinden: Wenn Familien das Projekt mittragen, verstärkt das die Wirkung und die Nachhaltigkeit.
  5. Netzwerke aufbauen: Internationale Aufmerksamkeit und Partnerschaften können helfen, langfristig finanzielle Stabilität zu sichern.

 

Fazit

Die Koranschule in Yogyakarta ist mehr als ein Ort des Lernens – sie ist ein Symbol für Inklusion, Hoffnung und Chancengleichheit. Zum ersten Mal erhalten gehörlose Kinder in Indonesien einen echten Zugang zur religiösen Bildung und können ihre Kultur und Religion auf ihre Weise erleben.

Gleichzeitig stärkt die Schule ihr Selbstbewusstsein, gibt ihnen schulisches Wissen für die Zukunft und macht sie zu sichtbaren Mitgliedern der Gesellschaft.
Das Projekt zeigt eindrucksvoll, dass Barrieren abgebaut werden können, wenn Mut, Kreativität und Unterstützung zusammentreffen. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Beispiel Schule macht – nicht nur in Indonesien, sondern weltweit.

Source: france24

Related Posts

This site is registered on wpml.org as a development site. Switch to a production site key to remove this banner.