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Dolmetscher unter Verdacht: Über 1 Mio. Euro Schaden

Dolmetscher unter Verdacht: Über 1 Mio. Euro Schaden

by info@deaf24.com

Am Donnerstag, den 22. Mai 2025, hat die Polizei im Bundesland Hessen die Wohnung eines 57-jährigen Gebärdensprachdolmetschers durchsucht. Der Mann steht im Verdacht, über Jahre hinweg Krankenkassen betrogen zu haben – durch falsche Abrechnungen für Dolmetschleistungen, die in Wirklichkeit nie erbracht wurden. Der geschätzte Schaden liegt bei über 1 Million Euro.

Hintergrund der Durchsuchung ist ein groß angelegtes Ermittlungsverfahren, das von zwei spezialisierten Stellen geführt wird: der Zentralen Staatsanwaltschaft für Medizinwirtschaftsstrafsachen (ZSMS) mit Sitz in Fulda und der Zentralstelle Medizinwirtschaftskriminalität (ZMWK) beim Hessischen Landeskriminalamt. Beide Behörden sind auf Straftaten im Gesundheitswesen spezialisiert und arbeiten bei größeren Fällen eng zusammen.

 

Wie soll der mutmaßliche Betrug abgelaufen sein?

Laut den bisherigen Erkenntnissen wird dem Gebärdensprachdolmetscher vorgeworfen, seit dem Jahr 2019 tausende von Rechnungen an verschiedene Krankenkassen geschickt zu haben, obwohl es die dazugehörigen Dolmetscheinsätze nie gegeben hat. Insgesamt soll es sich um etwa 3.500 Abrechnungen handeln – mit einem finanziellen Umfang von über einer Million Euro.

Um diese falschen Einsätze glaubhaft erscheinen zu lassen, soll der Mann systematisch verschiedene Dokumente gefälscht oder manipuliert haben. Dazu zählen unter anderem:

  • Arztstempel, die entweder nachgemacht oder unrechtmäßig verwendet wurden. Damit wollte er vortäuschen, dass er bei medizinischen Terminen anwesend war.
  • Leistungsbestätigungen, die normalerweise belegen, dass ein Dolmetscher gebraucht wurde, wurden offenbar ebenfalls gefälscht.
  • Unterschriften von gehörlosen Personen auf sogenannten Abtretungserklärungen, mit denen diese bestätigen, dass der Dolmetscher direkt von der Krankenkasse bezahlt werden darf. Diese Formulare soll er eigenhändig gefälscht haben.

Durch diese Kombination von Täuschungsversuchen entstand der Eindruck, dass die beantragten Dolmetschleistungen tatsächlich stattgefunden hätten – obwohl sie in Wahrheit nie erbracht wurden.

 

Was fand die Polizei bei der Durchsuchung?

Die Ermittler haben bei der Wohnungsdurchsuchung umfangreiche Beweismittel gefunden, die den Verdacht weiter erhärten. Dazu gehören unter anderem:

  • Rechnungen mit vordatierten oder falschen Angaben,
  • verschiedene Arztstempel, die auf einen groß angelegten Dokumentenmissbrauch hindeuten,
  • mehrere Mobiltelefone, die vermutlich für die Organisation der falschen Abrechnungen genutzt wurden,
  • Bargeld in Höhe von rund 2.000 Euro,
  • sowie Wertgegenstände im Gesamtwert von etwa 40.000 Euro.

Zu diesen Wertgegenständen zählen Goldmünzen, hochwertige Armbanduhren, Kunstdrucke und luxuriöse Handtaschen. Diese Funde könnten ein Hinweis darauf sein, dass der Mann über längere Zeit unrechtmäßig hohe Einnahmen erzielt hat – möglicherweise durch die betrügerischen Abrechnungen.

 

Wer führt die Ermittlungen?

Die Ermittlungen werden von zwei spezialisierten Stellen geführt:

  1. Zentrale Staatsanwaltschaft für Medizinwirtschaftsstrafsachen (ZSMS):
    Diese Staatsanwaltschaft befasst sich ausschließlich mit Fällen von Abrechnungsbetrug, Korruption und Wirtschaftskriminalität im Gesundheitsbereich.
  2. Zentralstelle Medizinwirtschaftskriminalität (ZMWK) beim LKA Hessen:
    Diese Einheit verfolgt Betrugsfälle im gesamten medizinischen Bereich, darunter bei Ärzten, Apotheken, Sanitätshäusern, Therapeuten, Optikern und nun erstmals auch bei Gebärdensprachdolmetschern.

 


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Warum ist der Fall so brisant für die Gehörlosen-Community?

Der Fall hat nicht nur strafrechtliche Bedeutung, sondern betrifft auch das Vertrauen in das gesamte System der Gebärdensprachdolmetschung. Für viele Gehörlose ist ein Dolmetscher bei Arztbesuchen, Ämtern oder in der Schule unverzichtbar. Wenn das Vertrauen in Dolmetscher beschädigt wird, kann das schwere Folgen haben:

  • Krankenkassen könnten in Zukunft strenger prüfen oder weniger Leistungen bewilligen.
  • Ehrliche Dolmetscher könnten unter Generalverdacht geraten.
  • Gehörlose könnten es schwerer haben, zeitnah einen Dolmetscher genehmigt zu bekommen.
  • Die Unsicherheit wächst, ob Dolmetscheinsätze überhaupt bewilligt oder finanziert werden.

Schon jetzt berichten viele Gehörlose über lange Wartezeiten, mangelnde Auswahl und unklare Abrechnungsprozesse. Ein solcher Betrugsfall verschärft die Situation weiter – obwohl die große Mehrheit der Dolmetscher verantwortungsvoll arbeitet.

 

Wie geht es jetzt weiter?

Die Ermittlungen stehen noch am Anfang. Die Staatsanwaltschaft wertet derzeit alle beschlagnahmten Beweise aus. Ein Gerichtsverfahren wird erst dann eröffnet, wenn die Beweislage als ausreichend gilt.

Ob der 57-jährige Mann tatsächlich schuldig ist, muss ein unabhängiges Gericht klären. Bis dahin gilt für ihn die Unschuldsvermutung. Die Krankenkassen prüfen in der Zwischenzeit, ob und wie sie das unrechtmäßig ausgezahlte Geld zurückfordern können.

 

Fazit

Der Betrugsverdacht gegen einen Gebärdensprachdolmetscher in Hessen erschüttert nicht nur das Gesundheitssystem, sondern auch das Vertrauen innerhalb der Gehörlosen-Community. Ein möglicher Schaden in Millionenhöhe wirft Fragen nach Kontrolle, Transparenz und Fairness auf.

Foto: Bild von Malte Reimold auf Pixabay

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