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KA für Gehörlose: Mehr Freiheit, weniger Barrieren

by info@deaf24.com

Viele gehörlose Menschen kennen das Problem: Sie brauchen einen Gebärdensprachdolmetscher (GSD), aber oft gibt es niemanden, der Zeit hat. Die Wartezeiten sind lang. Manchmal muss man wichtige Termine absagen oder verschieben, weil kein Dolmetscher kommt. Genau hier kann die Kommunikationsassistenz (KA) helfen. Sie ist eine wichtige Unterstützung im Alltag – flexibel, nah an der Gehörlosenkultur und meistens schneller verfügbar.

In diesem Artikel erklären wir, was eine Kommunikationsassistenz ist, wie sie sich von einem GSD unterscheidet, in welchen Bereichen sie helfen kann, wer bezahlt – und warum sie für viele Gehörlose eine gute Alternative oder Ergänzung ist.

Was ist eine Kommunikationsassistenz (KA)?

Eine Kommunikationsassistenz ist eine Person, die gehörlose oder schwerhörige Menschen bei der Verständigung unterstützt. Sie übersetzt in Deutscher Gebärdensprache (DGS), lautsprachbegleitenden Zeichen (LBG) oder einfacher Sprache – je nachdem, was für die gehörlose Person besser ist.

Im Gegensatz zu GSD haben KA keine Dolmetscher-Ausbildung oder kein staatliches Diplom. Viele KA sind Coda, also hörende Kinder gehörloser Eltern, oder Menschen, die lange Erfahrung in der Gehörlosengemeinschaft haben. Deshalb sind sie oft sehr vertraut mit der Gebärdensprache und der Gehörlosenkultur.

Welche Aufgaben hat eine KA?

Eine KA kann in vielen Situationen unterstützen, zum Beispiel:

  • Begleitung zu Arztterminen, Ämtern, Beratungen oder bei Bewerbungsgesprächen
  • Hilfe beim Ausfüllen von Formularen oder beim Telefonieren
  • Unterstützung in der Schule oder Ausbildung
  • Übersetzung bei alltäglichen Gesprächen, die nicht sehr kompliziert sind
  • Erklärungen in einfacher Sprache bei schwierigen Texten oder Briefen

Die Kommunikation ist oft natürlicher, vertrauter und für viele Gehörlose leichter zu verstehen als bei einem GSD.


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KA oder GSD – was ist der Unterschied?

ThemaKA (Kommunikationsassistenz)GSD (Gebärdensprachdolmetscher)
AusbildungKeine Dolmetsch-AusbildungStaatlich anerkanntes Diplom
SpracheAlltagsnahe DGS oder LBGFachlich, neutral, professionell
Nähe zur GehörlosenkulturHäufig Coda oder DGS-ErfahrungUnterschiedlich
FlexibilitätOft kurzfristig verfügbarLange Wartezeiten
KostenGünstigerTeurer
EinsatzbereicheAlltag, Arzt, Schule, BerufGericht, Klinik, Studium, Behörden
QualitätKeine Garantie:
Abhängig von Person und Erfahrung
Keine Garantie:
Abhängig von Person und Situation

Wichtig: Bei Gericht darf nur ein GSD eingesetzt werden – KA ist dort nicht erlaubt.

Einsatzbereiche für KA

Eine KA kann in vielen Bereichen helfen – außer bei Gericht:

  • Alltag: Arzt, Bank, Einkauf, Beratung, Gespräche mit Nachbarn oder Vermietern
  • Beruf: Arbeitsplatz, Bewerbung, Unterstützung beim Verstehen von Arbeitsaufträgen
  • Schule und Ausbildung: Kommunikation mit Lehrern, Mitschülern, Schulämtern
  • Familie und Freizeit: Unterstützung bei Elternabenden, Vereinstreffen, Veranstaltungen

Selbstbestimmung: Gehörlose dürfen selbst entscheiden

Nach dem Wunsch- und Wahlrecht (§ 8 SGB IX) haben Menschen mit Behinderung das Recht, selbst zu bestimmen, wer sie unterstützt. Das bedeutet:
Gehörlose dürfen wählen, ob sie eine KA oder einen GSD möchten – wenn die Unterstützung geeignet ist.

Besonders bei einfachen Gesprächen oder vertraulichen Themen ist eine KA oft die bessere Lösung, weil die Kommunikation direkter und natürlicher ist.

Kostenträger – Wer bezahlt eine KA?

Je nach Situation gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Arbeit: Integrationsamt, Inklusionsbetriebe oder Arbeitgeber
  • Schule / Ausbildung: Schulämter, Jugendämter
  • Alltag / Privat: Eingliederungshilfe über das Sozialamt (SGB IX), manchmal auch selbst bezahlt
  • Beratung oder Behörden: Manchmal über Assistenzdienste oder Ehrenamtsprojekte

Wichtig: Leider gibt es keine einheitliche Regelung, und viele Kostenträger bevorzugen GSD. Hier muss oft mit dem Hinweis auf das Wunschrecht argumentiert werden.

Warum ist KA so wichtig für Gehörlose?

  • KA ist oft kurzfristig verfügbar, wenn GSD lange Wartezeiten haben
  • KA kennt die Gehörlosenkultur, ist oft selbst Coda oder in der GL-Community aktiv
  • KA spricht alltagsnahe DGS, viele fühlen sich damit wohler
  • KA bringt Flexibilität und Vertrauen, vor allem bei sensiblen Gesprächen
  • KA ist günstiger, was bei knappen Budgets ein Vorteil sein kann
  • KA stärkt die Selbstbestimmung der Gehörlosen

Konkurrenz belebt den Dolmetsch-Markt

Das System mit ausschließlich GSD hat viele Probleme:

  • Lange Wartezeiten
  • Keine Auswahlmöglichkeiten
  • Geringe Flexibilität

Durch die Möglichkeit, KA einzusetzen, entsteht eine gesunde Konkurrenz. Das bedeutet:

  • GSD müssen zuverlässiger werden
  • Vermittlungen müssen besser organisieren
  • Gehörlose bekommen mehr Rechte und mehr Wahlmöglichkeiten

KA bedeutet: Barrieren abbauen – mehr Teilhabe – mehr Selbstbestimmung.

Warum vermitteln GSD-Vermittlungen keine KA?

Die offiziellen GSD-Vermittlungen arbeiten meistens nur mit staatlich geprüften Dolmetschern. Sie vermitteln keine KA, weil:

  • KA nicht gesetzlich als „Dolmetscher“ anerkannt sind
  • Viele Kostenträger nur GSD bezahlen
  • Vermittlungen oft nur nach festem Auftrag arbeiten
    Das ist ein Problem, denn viele Gehörlose wollen lieber eine KA – aber die offizielle Stelle hilft ihnen nicht weiter.

Wo findet man KA?

Da es keine zentrale KA-Vermittlung gibt, muss man selbst aktiv suchen. Hier einige Möglichkeiten:

  • Gehörlosenvereine oder Selbsthilfegruppen
  • Coda-Vereine oder Coda-Personen
  • Persönliche Netzwerke in der Gehörlosengemeinschaft
  • Soziale Medien (Facebook, WhatsApp-Gruppen)
  • Manche Assistenzdienste oder freie Träger

Fazit

Kommunikationsassistenz ist kein Ersatz, sondern eine Ergänzung zu GSD.
In der Praxis sind GSD oft nicht verfügbar, und viele gehörlose Menschen brauchen kurzfristig eine Lösung. KA kann in vielen Situationen helfen – verständlich, schnell, kulturell passend.

KA stärkt die Selbstbestimmung, macht den Dolmetsch-Markt fairer und baut echte Barrieren ab.
Daher ist es wichtig, dass KA als gleichwertige Möglichkeit anerkannt wird – nicht nur in der Gehörlosengemeinschaft, sondern auch bei Ärzten, Behörden und Kostenträgern.

Wahlfreiheit ist ein Grundrecht – auch bei der Kommunikationshilfe.

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