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Amazon in der Kritik: Kein Dolmetscher für Gehörlosen-Mitarbeiter

by info@deaf24.com

Ein gehörloser Lagerarbeiter in den USA wirft dem weltgrößten Online-Händler Amazon vor, ihm keinen angemessenen Zugang zu Kommunikation am Arbeitsplatz ermöglicht zu haben. Er reichte eine Klage ein, weil er trotz mehrfacher Bitten keinen Gebärdensprachdolmetscher erhielt – und später angeblich grundlos entlassen wurde. Die Klage wurde am 28. Oktober 2024 bei einem Bundesgericht in Kalifornien eingereicht. Es geht um Diskriminierung wegen seiner Behinderung und seines Alters.

Was ist passiert? – Die Vorwürfe im Detail

Der gehörlose Mann, über 60 Jahre alt, war in einem Amazon-Lager in Stockton, Kalifornien, beschäftigt. Laut Klageschrift bat er Amazon wiederholt darum, bei Mitarbeiterversammlungen, Schulungen und täglichen Arbeitsgesprächen einen ASL-Dolmetscher (American Sign Language) zur Verfügung zu stellen. Doch Amazon habe das verweigert. Stattdessen wurde er gezwungen, sich auf einen schwerhörigen Kollegen zu verlassen, der nicht als Dolmetscher ausgebildet war.

Der Mitarbeiter berichtete außerdem, dass er von einem Kollegen altersdiskriminierend beleidigt wurde. Dieser habe ihn als „zu alt“ bezeichnet und gesagt, er müsse „erst lernen und geduldig sein“. Trotz dieser Meldung an die Personalabteilung (HR) und den Vorgesetzten sei nichts unternommen worden, so die Klage.

Kurz darauf wurde der gehörlose Mitarbeiter plötzlich ohne klare Begründung entlassen. Erst später erfuhr er durch Unterlagen bei der US-Behörde für Gleichbehandlung am Arbeitsplatz (EEOC), dass Amazon ihn wegen angeblicher Verstöße gegen den Verhaltenskodex gekündigt hatte. Die Vorwürfe beruhen auf Gerüchten eines Kollegen, der behauptete, der gehörlose Mitarbeiter habe ihn bedroht und körperlich angegriffen. Der Kläger bestreitet diese Behauptung.

Ein weiteres Problem: Bei einem Treffen mit Amazon, bei dem es um seine Suspendierung und Kündigung ging, wurde ein Video-Fern-Dolmetscher eingesetzt. Doch während Amazon-Mitarbeiter mit dem Dolmetscher sprachen, übersetzte dieser nicht mehr für den Gehörlosen. Der Eindruck entstand, dass bewusst Informationen zurückgehalten wurden. Auch ein persönliches Gespräch mit Dolmetscher über die Kündigungsgründe wurde dem Mann verweigert, so die Klage.

Rechtliche Lage und vergleichbare Fälle

Der Kläger beruft sich auf zwei wichtige Gesetze:

  • ADA (Americans with Disabilities Act): Dieses Gesetz verpflichtet Arbeitgeber, Menschen mit Behinderungen angemessene Vorkehrungen zu ermöglichen, z. B. einen Dolmetscher. Es sei denn, die Bereitstellung wäre mit erheblichem Aufwand verbunden („undue hardship“).
  • ADEA (Age Discrimination in Employment Act): Dieses Gesetz schützt ältere Arbeitnehmer vor Diskriminierung.

Die EEOC (US-Behörde für Gleichbehandlung am Arbeitsplatz) hat bereits in anderen Fällen ähnliche Klagen unterstützt:

  • Walmart: Zwei gehörlose Mitarbeiter in Kansas erhielten keine ASL-Dolmetscher bei Sicherheitsschulungen und Orientierungsveranstaltungen. Walmart verwies auf „zu hohe Kosten“. Die EEOC reichte Klage ein.
  • Didlake (Reinigungsfirma): Diese Firma musste über 1 Million Dollar zahlen, weil sie gehörlosen Beschäftigten keine Dolmetscher für Schulungen und Sicherheitstreffen zur Verfügung stellte.

In beiden Fällen mussten die Betroffenen sich auf Kollegen oder Vorgesetzte verlassen, die nicht qualifiziert waren, was nach Auffassung der EEOC nicht ausreicht. Auch schriftliche Informationen oder Handouts ersetzten keine Dolmetschung, da sie oft schwer verständlich oder unvollständig waren.

Ein weiteres wichtiges Detail: Selbst wenn ein gehörloser Mitarbeiter gut Lippenlesen kann, ist dies nicht ausreichend, vor allem bei größeren Gruppen oder wenn mehrere Personen gleichzeitig sprechen. Die EEOC betont, dass in solchen Fällen ein zertifizierter Gebärdensprachdolmetscher nötig ist.

Fazit

Der Fall des gehörlosen Amazon-Mitarbeiters zeigt deutlich, dass auch große Unternehmen wie Amazon ihrer gesetzlichen Pflicht zur Barrierefreiheit nicht immer nachkommen. Die Klage verdeutlicht: Gehörlose Menschen brauchen qualifizierte Dolmetscher, keine improvisierten Hilfslösungen. Der Einsatz ungeeigneter Personen, fehlende Kommunikation und intransparente Entscheidungen führen zu Benachteiligung und Ausschluss.

Amazon äußerte sich bisher nicht öffentlich zu den Vorwürfen. Ob das Gericht dem Kläger Recht gibt, bleibt abzuwarten – doch die Debatte über Diskriminierung und faire Teilhabe ist damit erneut in den Fokus gerückt. Für viele Gehörlose weltweit ist dieser Fall ein Beispiel dafür, wie wichtig es ist, sich gegen Ungerechtigkeit zu wehren.

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