Im November 2025 trafen sich die Vorstände des Hessischer Verband für Gehörlose
und hörbehinderte Menschen e.V. (HVGhMev) mit den Bundestagsabgeordneten Heike Heubach und Dagmar Schmidt im Deutschen Bundestag. Das Gespräch drehte sich um wichtige politische Themen wie die Kostenübernahme von Gebärdensprachdolmetschern, gesetzliche Betreuung und Teilhabe von gehörlosen Menschen. Doch in der Gehörlosen-Community herrscht Verwirrung: Warum vertreten auf Bundesebene nicht immer der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V. (DGB), sondern oft die Landesverbände selbst die Interessen? Dieser Bericht gibt einen Überblick über die Situation, zeigt wichtige Punkte und stellt Fragen zur künftigen Vertretung der Gehörlosen.
Gespräche auf Bundesebene: HVGhMev übernimmt Verantwortung
Traditionell ist der Deutsche Gehörlosen-Bund die Bundesvertretung der Gehörlosen in Deutschland. Dennoch führen manche Landesverbände eigenständig Gespräche mit Bundestagsabgeordneten. So auch der HVGhMev, der im Gespräch mit MdB Heike Heubach (SPD) und MdB Dagmar Schmidt wichtige Themen adressierte:
- Übernahme der Kosten für Gebärdensprachdolmetscher bei Arztbesuchen und gesetzlicher Betreuung
- Probleme beim Teilhabeverfahren, bei dem Anträge oft abgelehnt werden
- Bedarf an barrierefreien Angeboten und zuverlässigen Dolmetschern
Diese direkte politische Arbeit der Landesverbände ist vorbildlich, führt aber auch zu Fragen: Braucht die Gehörlosen-Community weiterhin einen zentralen Bundesverband wie den DGB? Oder können die Landesverbände diese Aufgaben eigenständig übernehmen?
Wichtige Streitpunkte und gesetzliche Grundlagen
Dolmetscherkosten bei Arztbesuchen
Gehörlose Menschen haben laut § 164 SGB IX grundsätzlich Anspruch auf Gebärdensprachdolmetscher bei medizinischen Terminen. Die Krankenkassen sind verpflichtet, die Kosten zu übernehmen. Dabei ist es unerheblich, ob hörende Angehörige die Person begleiten. Angehörige sind keine professionellen Dolmetscher und können nicht die genaue medizinische Beratung ersetzen.
Gesetzliche Betreuung mit Dolmetscherbegleitung
Auch bei gesetzlicher Betreuung steht gehörlosen Menschen das Recht auf Dolmetscher zu, wenn die Betreuer die Gebärdensprache nicht beherrschen. Die Begleitung durch Dolmetscher ist notwendig, um die Kommunikation zu gewährleisten und Rechte durchzusetzen.
Teilhabe und Antragstellung
Alle Behörden und Sozialleistungsträger sind verpflichtet, den Zugang zu Leistungen für Menschen mit Behinderungen barrierefrei zu gestalten. Anträge auf Teilhabeleistungen dürfen nicht willkürlich abgelehnt werden. Dennoch berichten viele Betroffene von Ablehnungen und langen Wartezeiten. Hier sind politische und juristische Verbesserungen dringend erforderlich.
Warum übernehmen Anwälte und Sozialgerichte oft nicht die Interessen der Gehörlosen?
- Kostengründe: Viele Landesverbände verfügen nicht über ausreichende finanzielle Mittel, um Rechtsbeistand oder Anwälte zu beauftragen.
- Fehlende Rechtsschutzversicherung: Oft fehlt die nötige Rechtsschutzversicherung, die die Kosten übernimmt.
- Gesetzliche Rahmenbedingungen: Die bestehenden Sozialgesetze bieten zwar Hilfen, sind aber manchmal unklar oder werden nicht einheitlich angewandt.
- Richterliche Entscheidungen: Richter könnten in vielen Fällen selbstständig auf Basis des Sozialgesetzbuches entscheiden, benötigen aber oft politische oder fachliche Unterstützung.
Daneben gibt es auch andere Behindertenverbände wie den Sozialverband VdK, die ebenfalls wichtige Arbeit leisten, aber oft unterschiedliche Schwerpunkte haben.
Die Rolle des Deutschen Gehörlosen-Bundes (DGB) – braucht man DGB noch?
Die parallele Arbeit von Landesverbänden und dem DGB sorgt für Verwirrung in der Community. Manche fragen sich, ob der DGB als Bundesvertretung noch die zentrale Rolle spielen sollte, wenn die Landesverbände direkt auf politischer Ebene aktiv sind.
Es stellt sich die Frage:
- Wie kann der DGB seine Arbeit besser auf die Bedürfnisse der Gehörlosen abstimmen?
- Sollte der DGB mehr koordinieren und unterstützen, statt Aufgaben zu duplizieren?
- Wie kann die Zusammenarbeit zwischen DGB und Landesverbänden verbessert werden, um die Interessen der Gehörlosen wirksamer zu vertreten?
Tipps für die Community
- Informiert euch über eure Rechte: Der Anspruch auf Gebärdensprachdolmetscher bei Arztbesuchen und in Betreuungssituationen ist gesetzlich geregelt (§ 164 SGB IX).
- Fordert eure Rechte aktiv ein: Wenn Dolmetscherkosten nicht übernommen werden, solltet ihr Widerspruch einlegen und euch Unterstützung holen (z.B. Beratungsstellen).
- Engagiert euch politisch vor Ort: Auch auf Landesebene können Veränderungen bewirkt werden – unterstützt eure Landesverbände.
- Nutzt Beratungsangebote: Es gibt Fachstellen, die bei Sozialrechtsfragen helfen und Informationen bereitstellen.
- Bleibt kritisch und hinterfragt: Wenn ihr Verwirrung spürt, stellt Fragen und fordert Klarheit über die Rolle von DGB und Landesverbänden.
Fazit
Die direkte politische Arbeit der Landesverbände ist ein positives Signal für die aktive Vertretung der Gehörlosen. Gleichzeitig zeigt sich, dass die Zuständigkeiten zwischen Bundes- und Landesebene besser abgestimmt werden müssen, um Verwirrung zu vermeiden und die Interessen der Community gebündelt zu vertreten. Rechtliche Grundlagen sind vorhanden, werden aber nicht immer vollständig umgesetzt. Unterstützung durch Rechtsbeistand ist oft durch finanzielle Hürden begrenzt.
Für die Zukunft ist es wichtig, dass DGB, Landesverbände und Betroffene enger zusammenarbeiten, um Barrieren abzubauen und eine starke, einheitliche Stimme für Gehörlose zu schaffen.

