Bild: Kyodo
In der japanischen Präfektur Saitama startet die Polizei ein wichtiges Pilotprojekt: Neue Signallichter an Streifenwagen sollen gehörlosen und schwerhörigen Menschen helfen, Notfalleinsätze von normalen Patrouillenfahrten zu unterscheiden. Der Test reagiert auf eine jahrelange Forderung der Deaf-Community und könnte die Verkehrssicherheit für gehörlose Menschen erheblich verbessern.
Das Problem: Gleiche Lichter für unterschiedliche Situationen
Für hörende Verkehrsteilnehmer ist es einfach: Wenn ein Polizeiauto mit Blaulicht und Sirene kommt, handelt es sich um einen Notfall. Ohne Sirene ist das Fahrzeug nur auf Patrouille. Doch für gehörlose Menschen fehlt dieser wichtige akustische Hinweis völlig.
In Japan fahren Polizeiautos oft mit eingeschaltetem Blaulicht durch die Straßen, auch wenn kein Notfall vorliegt. Die Sirene wird nur bei echten Einsätzen aktiviert. Diese Praxis führt zu einer gefährlichen Situation: Gehörlose Menschen können nicht erkennen, ob sie sofort Platz machen müssen oder ob das Polizeiauto nur langsam vorbeifahren wird.
Shinichi Ouchi, der Vorsitzende des Gehörlosenverbands in Saitama, beschreibt die Herausforderung deutlich: „Wenn das Fahrzeug vor Ihnen für ein Polizeiauto ausweicht, dann können Sie das nachvollziehen. Aber wenn niemand in der Nähe ist, können Sie die Situation nicht einschätzen.“ Diese Unsicherheit betrifft nicht nur Fußgänger, sondern auch gehörlose Autofahrer, die im Straßenverkehr gleichberechtigt teilnehmen.
Zehn Jahre Kampf für Veränderung
Der Weg zu diesem Pilotprojekt war lang. Der japanische Gehörlosenverband fordert seit zehn Jahren eine optische Kennzeichnung für Notfalleinsätze. Der Verband von Saitama reichte allein zweimal offizielle Anträge bei der Präfekturverwaltung ein, bevor die Polizei reagierte.
Diese beharrliche Advocacy-Arbeit zeigt, wie wichtig organisierte Interessenvertretung ist. Die Gehörlosenverbände machten deutlich, dass es nicht um einen Sonderwunsch geht, sondern um grundlegende Verkehrssicherheit und Barrierefreiheit im öffentlichen Raum.
Die technische Lösung: Unterschiedliche Blink-Frequenzen
Seit März 2023 testet die Polizei in Saitama zwei speziell ausgestattete Streifenwagen. Die neue Signalanlage ist zweiteilig und arbeitet mit unterschiedlichen Blinkmustern:
Bei Notfalleinsätzen (mit Sirene): Die Lichter blinken sehr schnell im Halbsekundentakt. Das bedeutet zwei Blinksignale pro Sekunde. Dieses schnelle Blinken signalisiert: „Achtung, Notfall! Sofort Platz machen!“
Bei Patrouillenfahrten (ohne Sirene): Die roten Lichter leuchten langsam im Zwei-Sekunden-Takt. Das bedeutet ein Blinksignal alle zwei Sekunden. Dieses langsame Blinken zeigt: „Polizei auf Streife, kein Notfall.“
Der Unterschied ist deutlich sichtbar und auch bei schneller Wahrnehmung erkennbar. Gehörlose Menschen können so auf den ersten Blick die Situation einschätzen und entsprechend reagieren.
Der laufende Test und seine Bedeutung
Der Pilottest läuft zunächst bis Ende Juni 2023. Die beiden ausgestatteten Fahrzeuge werden in der gesamten Präfektur Saitama eingesetzt, um unterschiedliche Verkehrssituationen und Umgebungen zu testen. Die Polizei sammelt Erfahrungen und wertet aus, wie gut das neue System funktioniert.
Dieser Test ist mehr als ein lokales Projekt. Er könnte zum Vorbild für ganz Japan werden. Wenn sich das System bewährt, könnten andere Präfekturen nachziehen. Auch international könnte Japan damit ein Beispiel für barrierefreie Notfall-Signalisierung setzen.
Bedeutung für die Deaf-Community
Für gehörlose Menschen bedeutet dieses Projekt mehr Sicherheit und Gleichberechtigung im Straßenverkehr. Sie müssen nicht mehr raten oder auf das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer achten, um die Situation einzuschätzen. Die optische Unterscheidung gibt ihnen dieselbe Information, die hörende Menschen durch die Sirene erhalten.
Das Projekt zeigt auch, dass die Anliegen der Deaf-Community ernst genommen werden. Nach zehn Jahren beharrlicher Forderungen wurde eine praktische Lösung entwickelt. Dies ermutigt zu weiteren Initiativen für Barrierefreiheit.
Technische Übertragbarkeit
Die Lösung ist technisch einfach und kostengünstig umzusetzen. Es braucht keine aufwendigen neuen Systeme, sondern nur eine Anpassung der Steuerung vorhandener Signallichter. Dies erleichtert eine mögliche flächendeckende Einführung erheblich.
Auch andere Einsatzfahrzeuge wie Krankenwagen und Feuerwehr könnten ähnliche Systeme nutzen. Eine einheitliche Regelung würde die Erkennbarkeit für alle weiter verbessern.
Fazit
Das Pilotprojekt in Saitama ist ein wichtiger Schritt zu mehr Barrierefreiheit und Verkehrssicherheit für gehörlose Menschen in Japan. Die unterschiedlichen Blinkfrequenzen bieten eine einfache, aber effektive Lösung für ein lange bestehendes Problem. Der Erfolg zeigt, wie wichtig die kontinuierliche Advocacy-Arbeit von Gehörlosenverbänden ist. Wenn der Test positiv verläuft, könnte das System landesweit eingeführt werden und auch international als Vorbild dienen. Es bleibt zu hoffen, dass weitere Maßnahmen folgen, die den öffentlichen Raum für alle Menschen gleichermaßen zugänglich und sicher machen.

