Viele Menschen greifen regelmäßig zu Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Paracetamol. Sie gelten als sicher, rezeptfrei erhältlich und werden bei Kopfschmerzen, Fieber oder Entzündungen schnell eingenommen. Doch neue Forschungsergebnisse zeigen: Die Einnahme dieser Medikamente kann eine unerwartete Nebenwirkung haben. In Verbindung mit Antibiotika fördern sie möglicherweise die Entstehung gefährlicher resistenter Bakterien.
Antibiotikaresistenz ist eines der größten Gesundheitsprobleme unserer Zeit. Normalerweise stehen übermäßiger Einsatz und falsche Verschreibung von Antibiotika im Fokus. Nun rücken aber auch ganz alltägliche Medikamente wie Ibuprofen oder Paracetamol ins Blickfeld der Wissenschaft. Besonders ältere Menschen, die oft viele Medikamente gleichzeitig einnehmen, könnten betroffen sein.
Was bedeutet Antibiotikaresistenz?
Antibiotikaresistenz entsteht, wenn Bakterien lernen, sich gegen Antibiotika zu wehren. Sie entwickeln Mechanismen, um die Wirkung dieser Medikamente zu umgehen oder abzuschwächen. Folge: Infektionen lassen sich schwerer behandeln, Therapien schlagen nicht mehr an, und es drohen längere Krankheitsverläufe oder sogar Todesfälle.
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jedes Jahr Millionen Menschen weltweit an Infektionen, weil Antibiotika nicht mehr wirken. Bisher dachte man, dass vor allem der zu häufige Einsatz von Antibiotika diese Entwicklung beschleunigt. Doch eine aktuelle Studie zeigt: Auch andere Medikamente könnten eine Rolle spielen.
Die neue Studie aus Australien
Forschende der University of South Australia und der University of Adelaide haben untersucht, wie bestimmte Medikamente auf Bakterien wirken – besonders in Kombination mit Antibiotika. Ihr Ziel: herausfinden, ob gängige Mittel wie Ibuprofen oder Paracetamol die Entstehung von Resistenzen fördern.
Im Mittelpunkt standen ältere Menschen in Pflegeheimen. Sie nehmen oft viele Medikamente gleichzeitig ein (Polypharmazie). Damit entsteht ein realistisches Szenario, in dem verschiedene Wirkstoffe auf die Darmflora einwirken. Getestet wurde vor allem das Bakterium Escherichia coli (E. coli). Dieses ist weit verbreitet und kann harmlose, aber auch gefährliche Infektionen im Darm und in den Harnwegen auslösen.
Welche Medikamente wurden getestet?
Die Wissenschaftler prüften neun häufig eingesetzte Medikamente – allein und in Kombination mit dem Antibiotikum Ciprofloxacin:
- Paracetamol: Schmerz- und Fiebermittel
- Ibuprofen: entzündungshemmendes Schmerzmittel
- Diclofenac: stark entzündungshemmend
- Furosemid: Entwässerungsmittel (Diuretikum)
- Metformin: Mittel gegen Typ-2-Diabetes
- Atorvastatin: Cholesterinsenker
- Tramadol: opioidähnliches Schmerzmittel
- Temazepam: Schlafmittel
- Pseudoephedrin: Mittel gegen Erkältungsbeschwerden
Zusätzlich wurden Kombinationen getestet, um den Alltag in Pflegeheimen nachzustellen.
So lief das Experiment ab
Die Forschenden untersuchten zwei Arten von Bakterien:
- Einen harmlosen Laborstamm von E. coli.
- Einen klinischen Stamm aus einer Stuhlprobe eines Pflegeheimbewohners.
Beide Bakterienstämme wurden über 48 Stunden mit geringen Mengen Antibiotika (Ciprofloxacin) sowie mit den oben genannten Medikamenten kombiniert. Dabei prüfte das Team:
- Wie schnell die Bakterien wuchsen.
- Wie viele Mutationen (Veränderungen) auftraten.
- Ob sich die Resistenz verstärkte.
- Welche Gene und Mechanismen aktiviert wurden.
Die Ergebnisse – ein deutlicher Warnhinweis
Die Resultate sind besorgniserregend:
- Ibuprofen und Paracetamol verstärkten die Mutationsrate von E. coli deutlich.
- Paracetamol führte zu 4,3-mal mehr Mutationen.
- Ibuprofen sogar zu 15,3-mal mehr Mutationen.
- Auch Diclofenac und Furosemid erhöhten die Zahl resistenter Bakterien.
- Besonders gefährlich war die Kombination Ibuprofen + Diclofenac: Hier stieg die Resistenz auf das 64-Fache an.
- Die resistenten Bakterien wurden nicht nur unempfindlicher gegen Ciprofloxacin, sondern auch gegen andere wichtige Antibiotika wie Levofloxacin, Minocyclin und Cephalosporine.
Die genetische Analyse zeigte: Die Medikamente aktivieren in den Bakterien Abwehrsysteme, die Antibiotika aus der Zelle herauspumpen. Dadurch wird das Antibiotikum wirkungslos.
Was bedeutet das für den Alltag?
Die Ergebnisse werfen wichtige Fragen auf:
- Pflegeheime im Fokus
In Altenheimen nehmen viele Bewohner gleichzeitig mehrere Medikamente. Dadurch entsteht ein „Nährboden“ für resistente Bakterien. Diese können sich leicht ausbreiten, besonders bei geschwächten Personen. - Rezeptfreie Schmerzmittel nicht harmlos
Ibuprofen und Paracetamol gelten als sicher. Doch die Studie zeigt, dass sie in Kombination mit Antibiotika problematisch sein können. - Gefahr für alle Altersgruppen
Nicht nur ältere Menschen sind betroffen. Auch jüngere Patienten, die Schmerzmittel zusammen mit Antibiotika einnehmen, könnten ein erhöhtes Risiko haben.
Tipps für den verantwortungsvollen Umgang
Die Studie bedeutet nicht, dass Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol grundsätzlich gefährlich sind. Sie sind wichtige Medikamente, wenn sie richtig eingesetzt werden. Doch es lohnt sich, einige Punkte zu beachten:
- Medikamente nicht unnötig kombinieren: Nehmen Sie nur, was wirklich notwendig ist.
- Arzt oder Apotheker fragen: Vor allem, wenn Antibiotika verschrieben werden, ist es sinnvoll, mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu besprechen.
- Dosierung einhalten: Schmerzmittel nicht länger und nicht höher dosiert einnehmen, als empfohlen.
- Auf Warnsignale achten: Wenn Antibiotika nicht anschlagen oder Infektionen ungewöhnlich lange dauern, sollte sofort ärztlicher Rat eingeholt werden.
- Pflegeheime sensibilisieren: Dort sollte besonders sorgfältig auf Medikamentenkombinationen geachtet werden.
Fazit
Die australische Studie liefert einen wichtigen Hinweis: Gängige Schmerzmittel wie Ibuprofen und Paracetamol können in Kombination mit Antibiotika zur Entstehung resistenter Bakterien beitragen. Besonders in Pflegeheimen, wo viele Menschen täglich mehrere Medikamente einnehmen, ist das Risiko hoch.
Noch sind weitere klinische Studien nötig, um die Ergebnisse endgültig zu bestätigen. Doch schon jetzt zeigt sich: Antibiotikaresistenz hängt nicht nur von der Menge eingesetzter Antibiotika ab, sondern möglicherweise auch von alltäglichen Medikamenten, die bisher als unbedenklich galten.
Für Betroffene, Angehörige und medizinisches Personal gilt deshalb: Medikamente mit Bedacht einsetzen, Wechselwirkungen beachten und sich bewusst machen, dass selbst einfache Schmerzmittel komplexe Folgen haben können.
Bild von Hilbert Kuipers auf Pixabay

