Gehörlose Menschen sind in vielen Situationen auf Gebärdensprachdolmetscher (GSD) angewiesen, sei es beim Arzt, bei Behördenterminen, in Schulen, am Arbeitsplatz oder sogar vor Gericht. Doch trotz ihrer wichtigen Rolle gibt es in Deutschland zahlreiche Probleme in der Ausbildung, Organisation und Qualitätssicherung von GSD. Diese Probleme wirken sich direkt auf die Gehörlosengemeinschaft aus und erschweren deren Alltag erheblich.
1. Probleme bei der Ausbildung und Bürokratie
Die Ausbildung zum GSD ist in Deutschland sehr anspruchsvoll und durch bürokratische Hürden erschwert.
- Strenge Anforderungen:
Die Ausbildung erfordert den Abschluss von langen und teuren Kursen, die für viele Interessierte kaum bezahlbar sind. Es gibt kaum finanzielle Unterstützung, wodurch insbesondere Menschen mit geringem Einkommen benachteiligt werden. - Komplizierte Prüfungen:
Die Prüfungen sind sehr theoretisch und legen wenig Wert auf praktische Fähigkeiten. Dies schreckt viele potenzielle Teilnehmer ab, die gute Gebärdensprachkenntnisse besitzen, aber Schwierigkeiten mit der Theorie haben. - Barrieren für gehörlose Teilnehmer:
Gehörlose Menschen, die selbst GSD werden möchten, haben es oft besonders schwer. Die Prüfungen sind häufig nicht barrierefrei und berücksichtigen ihre Bedürfnisse kaum.
Ergebnis: Viele Interessierte geben den Traum, GSD zu werden, auf. Dadurch gibt es zu wenige GSD, um den steigenden Bedarf zu decken.
2. Staatliche Prüfungen: Zu streng und unflexibel
Die Prüfungen, die für den Beruf als GSD nötig sind, stehen ebenfalls in der Kritik:
- Übermäßiger Fokus auf Theorie:
Die Prüfungen verlangen umfangreiche theoretische Kenntnisse, doch in der Praxis sind andere Fähigkeiten oft wichtiger, wie zum Beispiel das kulturelle Verständnis und die Fähigkeit, schnell und flexibel zu übersetzen. - Hohe Durchfallquoten:
Viele Teilnehmer scheitern an den Prüfungen, obwohl sie in der Praxis gut dolmetschen könnten. - Fehlende Alternativen:
Es gibt keine Möglichkeit, durch praktische Erfahrung oder ein Zertifikat ohne Diplom als GSD zu arbeiten. Dies schließt viele talentierte Menschen aus.
3. GSD mit Diplom garantieren keine guten Leistungen
Ein Diplom alleine garantiert nicht, dass ein GSD zuverlässig und professionell arbeitet. Gehörlose berichten von zahlreichen Problemen mit diplomierten GSD:
- Unzuverlässigkeit:
GSD sagen häufig Termine kurzfristig ab oder erscheinen zu spät. Dies führt dazu, dass Gehörlose wichtige Termine wie Arztbesuche oder Behördengänge verschieben müssen. - Übersetzungsfehler:
Selbst diplomierte GSD machen Fehler, die in sensiblen Situationen gravierende Folgen haben können. Zum Beispiel können bei medizinischen Terminen falsche Übersetzungen zu Missverständnissen bei Diagnosen führen. - Fehlende Verfügbarkeit:
Viele GSD sind überlastet, sodass Gehörlose oft lange auf einen Termin warten müssen.
4. Fehlende Qualitätskontrolle bei GSD
Die Arbeit der GSD wird in Deutschland kaum überwacht. Dies führt zu einem Mangel an Qualitätssicherung:
- Kein Feedback-System:
Gehörlose können ihre Zufriedenheit oder Beschwerden über die Arbeit eines GSD selten melden. Es gibt keine zentrale Stelle, die solche Rückmeldungen sammelt und auswertet. - Keine regelmäßige Überprüfung:
GSD werden nach ihrer Ausbildung selten kontrolliert. Es gibt keine Mechanismen, um sicherzustellen, dass sie ihre Fähigkeiten auf einem hohen Niveau halten. - Keine Weiterbildungspflicht:
GSD sind nicht verpflichtet, regelmäßig Schulungen oder Weiterbildungen zu besuchen, um ihre Fähigkeiten zu verbessern oder auf dem neuesten Stand zu bleiben.
Ergebnis: Die Qualität der Dolmetschleistungen ist sehr unterschiedlich und für Gehörlose oft unzuverlässig.
5. Auswirkungen auf die Gehörlosengemeinschaft
Die oben genannten Probleme haben gravierende Folgen für die Gehörlosengemeinschaft:
- Erschwerte Kommunikation:
Gehörlose haben oft Schwierigkeiten, wichtige Termine wahrzunehmen oder ihre Anliegen klar zu machen, weil kein passender GSD verfügbar ist. - Fehlende Unterstützung:
Viele Gehörlose fühlen sich von den bestehenden Systemen im Stich gelassen, da die Organisation und Qualität der Dolmetschleistungen nicht ausreichend gesichert ist. - Rechtsverletzungen:
In einigen Fällen kann die mangelnde Verfügbarkeit oder Qualität von GSD sogar gegen die Rechte der Gehörlosen verstoßen, wie sie in der UN-Behindertenrechtskonvention festgelegt sind.
6. Wie sieht es in anderen Ländern aus?
In anderen Ländern gibt es teils flexiblere und effizientere Systeme für GSD:
- Lockerere Bürokratie:
In einigen Ländern, wie den USA oder Skandinavien, gibt es weniger strenge Anforderungen an die Ausbildung. Dort können auch talentierte Personen ohne Diplom in bestimmten Situationen als Dolmetscher arbeiten. - Staatliche Förderung:
Viele Länder bieten mehr finanzielle Unterstützung für angehende GSD an, sodass die Ausbildung für alle zugänglich ist. - Bessere Organisation:
Länder wie die Niederlande haben zentrale Systeme, die die Verfügbarkeit und Qualität der GSD effizienter organisieren.
Erfahrung: Diese Beispiele zeigen, dass flexiblere und besser organisierte Systeme auch in Deutschland eingeführt werden könnten, um die Situation zu verbessern.
7. Vorschläge zur Verbesserung
- Flexiblere Ausbildung:
- Weniger Bürokratie und einfachere Regeln für den Zugang zur Ausbildung.
- Praktische Alternativen zu theoretischen Prüfungen schaffen.
- Angepasste Prüfungen:
- Mehr Fokus auf praktische Fähigkeiten und weniger auf Theorie.
- Barrierefreie Prüfungen für gehörlose Teilnehmer.
- Qualitätskontrolle:
- Einführung eines Bewertungssystems, bei dem Gehörlose Feedback geben können.
- Regelmäßige Nachprüfungen und Pflichtweiterbildungen für GSD.
- Bessere Organisation:
- Effizientere Planung der Einsätze, um Ausfälle und Wartezeiten zu reduzieren.
- Einführung eines Bereitschaftsdienstes für kurzfristige Einsätze.
- Staatliche Unterstützung:
- Finanzielle Hilfen für angehende GSD und Ausbildungsstätten.
Fazit
Gebärdensprachdolmetscher sind unverzichtbar für die Gehörlosengemeinschaft, doch die bestehenden Systeme in Deutschland sind zu bürokratisch, ineffizient und unzuverlässig. Eine Reform ist dringend notwendig, um die Ausbildung zu erleichtern, die Qualität zu sichern und die Verfügbarkeit zu verbessern. Gehörlose haben ein Recht auf zuverlässige Dolmetschleistungen, und es ist die Aufgabe des Staates, dies zu gewährleisten.

