Gebärdensprachdolmetscher (GSD) sind wichtig für die Kommunikation zwischen Gehörlosen und Hörenden. In Theorie sollen sie Brücken bauen, Missverständnisse vermeiden und Chancengleichheit sichern. Doch in der Praxis sieht es oft anders aus: Viele Gehörlose erleben das aktuelle Dolmetsch-System als einseitig, unflexibel, teuer und unzuverlässig.
Deaf24 hat die Erfahrungen vieler Betroffener gesammelt und stellt die Frage: Funktioniert das GSD-System wirklich gerecht? Oder schadet es denen, die eigentlich geschützt werden sollen?
Keine Garantie für Qualität – Diplom allein reicht nicht
Viele glauben: Wenn jemand ein GSD-Diplom hat, dann kann er gut dolmetschen. Doch das ist ein Irrtum.
- Ein Diplom zeigt nur, dass jemand die Sprache in der Theorie gelernt hat. Es sagt nichts über die praktische Qualität aus.
- Einige GSD wirken sprachlich korrekt, aber ihre Dolmetschweise ist unverständlich oder unnatürlich.
- Viele Gehörlose fühlen sich mit „Studien-Gebärdensprache“ aus dem Buch nicht wohl und nicht verstanden.
- Was fehlt, ist Vertrauen, Lebenserfahrung, kulturelles Verständnis.
Vergleich: Werkstattwahl beim Auto
Autofahrer dürfen frei wählen, in welche Werkstatt sie ihr Auto bringen. Niemand ist verpflichtet, teure, autorisierte Vertragswerkstätten aufzusuchen. Selbst bei Garantie reicht es oft aus, eine freie Werkstatt mit guten Fachkenntnissen zu nutzen.
Genauso sollte es auch bei GSD sein:
- Gehörlose sollten frei wählen, mit wem sie kommunizieren wollen.
- Es muss keine Pflicht geben, nur „autorisierte“ Dolmetscher mit Diplom einzusetzen.
- Viele GSD zeigen kein vertieftes Wissen über die Gehörlosenkultur und nehmen kaum an Veranstaltungen oder Community-Aktivitten teil.
Kommunikationsassistenz werden ausgeschlossen – trotz besserer Ergebnisse
Viele Gehörlose sagen offen: CODAs, erfahrene Helfer oder andere Personen ohne Diplom dolmetschen oft besser. Warum?
- Sie kennen die Kultur, die Lebenslage und die Gedankenwelt der Gehörlosen.
- Sie dolmetschen einfacher, direkter, alltagstauglicher.
- Sie bauen schneller Vertrauen auf und sind menschlich näher.
Doch das System erlaubt es nicht: Nur Personen mit Diplom dürfen bezahlt werden.
Das bedeutet:
- Gehörlose dürfen nicht frei wählen, wen sie wollen.
- Sie müssen akzeptieren, was ihnen zugeteilt wird – auch wenn es nicht funktioniert.
Das ist ein Verstoß gegen das Recht auf Selbstbestimmung und Gleichberechtigung.
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Monopolartige Vermittlungen: Keine Wahl, keine Kontrolle
Die Vermittlung von GSD ist in vielen Regionen zentralisiert:
- Eine Stelle entscheidet, welcher GSD kommt.
- Gehörlose haben keine Mitbestimmung.
Viele berichten:
- Die Vermittlungen haben keinen Überblick, wo welche GSD sind.
- Es gibt keine Transparenz bei Auswahl, Verfügbarkeit oder Reihenfolge.
- Manche GSD kommen mehrfach pro Woche zu bestimmten Klienten, andere warten seit Monaten.
So entsteht ein Monopol-System, in dem Gehörlose keine Kontrolle, keine Wahl und keine Gerechtigkeit haben.
Der Bund der GSD: Macht und Monopol stoppen
Deaf24 stellt kritisch fest: Der Bund der GSD hat zu viel Einfluss.
- Er entscheidet, wer als Dolmetscher anerkannt wird.
- Er wirkt auf Vermittlungen und Budgets ein.
- Er vertritt nicht die Interessen der Gehörlosen, sondern die der eigenen Berufsgruppe.
Doch die Gebärdensprache gehört nicht dem Bund der GSD, sondern der Gebärdensprachgemeinschaft selbst.
Gehörlose fordern Selbstbestimmung. Nicht der Bund der GSD soll entscheiden, sondern die Nutzer der Sprache selbst.
Teuer, aber unzuverlässig – keine Entschädigung bei Ausfällen
Ein GSD kostet oft 80–150 Euro pro Stunde, dazu Fahrtkosten und Vorbereitung. Doch:
- Wenn der GSD kurzfristig absagt, gibt es keine Entschädigung für die betroffene Person.
- Wenn der GSD schlecht arbeitet, gibt es keine Konsequenzen.
- Die öffentlichen Kassen zahlen – aber die Gehörlosen tragen das Risiko.
Das ist ungerecht. Gehörlose sind nicht nur benachteiligt, sondern oft auch rechtlos.
Schlechte Erreichbarkeit – besonders an Wochenenden und abends
- Viele GSD arbeiten nur werktags bis 17 Uhr.
- Abends, an Wochenenden oder Feiertagen gibt es kaum Angebote.
- Bei Notfällen (Krankenhaus, Polizei, plötzliche Termine) bleiben Gehörlose oft allein.
Zudem fehlt ein gutes System für Einsatzplanung:
- Niemand weiß, wo und wann GSD verfügbar sind.
- Viele fahren stundenlang für einen kurzen Einsatz, während andere ungenutzt bleiben.
Das ist ineffizient und unverantwortlich.
Fehlende Neutralität und Menschlichkeit
Ein GSD soll neutral sein. Doch viele Gehörlose erleben das Gegenteil:
- Manche GSD bevorzugen die hörende Seite oder greifen in Gespräche ein.
- Andere wirken kalt, geschäftsmäßig, uninteressiert.
- Das Vertrauensverhältnis fehlt oft komplett.
Aber gerade in sensiblen Situationen (Jugendamt, Gericht, Therapie) ist Vertrauen das Wichtigste.
Wenn GSD wie „Dienstleister ohne Herz“ wirken, entsteht kein echter Dialog.
Fazit: Das System braucht Reformen
Gehörlose brauchen keine perfekten Dolmetscher aus dem Lehrbuch. Sie brauchen Menschen, die Verständigung möglich machen.
Deaf24 fordert:
- Wahlfreiheit:
- Kommunikationshelfer ohne Diplom sollen bezahlt werden dürfen.
- Transparenz und Kontrolle:
- Vermittlungen müssen offenlegen, wie sie GSD einsetzen und bewerten.
- Entschädigung:
- Gehörlose müssen Ersatz oder Ausgleich erhalten, wenn ein GSD nicht erscheint.
- Bessere Verfügbarkeit:
- Es braucht Bereitschaftsdienste, regionale Planung und intelligente Koordination.
- Menschlichkeit und Respekt:
- GSD müssen nicht nur Sprache, sondern auch Kultur und Menschen verstehen.
- Abschaffung des GSD-Monopols:
- Der Bund der GSD darf nicht mehr über die Nutzung von Gebärdensprache bestimmen.
- Die Kontrolle muss zur Gehörlosengemeinschaft zurück.
Schlusswort
Ein gutes Dolmetsch-System ist kein Luxus. Es ist ein Grundrecht. Doch aktuell gibt es viele Mängel, die Gehörlose benachteiligen.
Deaf24 sagt klar:
Es geht nicht um perfekte Gebärden. Es geht um Verständigung, Augenhöhe und Gerechtigkeit.

