Home LifestyleKulturDavid aus Dillingen: Taub, aber nicht ausgeschlossen

David aus Dillingen: Taub, aber nicht ausgeschlossen

by info@deaf24.com

In einer Welt, die vom Hören geprägt ist, leben viele Menschen am Rand – nicht, weil sie nicht dazugehören wollen, sondern weil sie nicht einbezogen werden. David aus Dillingen ist taub. Er spricht nicht mit der Stimme, sondern mit den Händen – in der Deutschen Gebärdensprache. Für ihn bedeutet das, ständig zwischen zwei Welten zu stehen: der Welt der Hörenden und der Welt der Taube Menschen. Doch anstatt zu resignieren, kämpft David für mehr Barrierefreiheit, für eine Gesellschaft, die zuhört – auch ohne Ton.

Seine Geschichte steht stellvertretend für viele Taube Menschen, die täglich um Sichtbarkeit und Verständigung kämpfen. Dieser Bericht wirft einen genauen Blick auf Davids Alltag, seine Herausforderungen und seine Forderungen – und zeigt, was sich ändern müsste, damit echte Inklusion gelingt.

 

 

Davids Alltag: Leben ohne Ton, aber voller Ausdruck

David wurde taub geboren. Von klein auf hat er nie gehört, wie Stimmen klingen, wie Musik klingt, wie die Welt klingt. Doch das bedeutet nicht, dass seine Welt still ist. David erlebt sie auf eine ganz eigene, sinnliche Weise – durch Vibrationen, durch visuelle Eindrücke, durch Berührungen.

Besonders deutlich wird das, wenn David Auto fährt: Dann dreht er die Musik laut auf. Nicht, um aufzufallen, sondern um den Bass zu spüren. Für ihn ist das eine Form, Musik zu „hören“. Die Vibrationen gehen durch seinen Körper – sie machen Melodien fühlbar. Während andere ihn schief anschauen, weil sie eine „Party“ vermuten, ist es für David ein sehr persönlicher Moment des Genusses und der Teilhabe an einer Kultur, die ihn sonst oft ausschließt.

Auch Kommunikation läuft bei David anders. Er spricht in Gebärdensprache, nutzt seine Hände, seinen Gesichtsausdruck, seine Körperhaltung, um Gefühle und Gedanken zu vermitteln. Doch diese Sprache verstehen viele nicht – was zu häufigen Missverständnissen, zu Einsamkeit und Ausgrenzung führt. In vielen Alltagssituationen bleibt David außen vor, weil Menschen nicht wissen, wie sie mit ihm kommunizieren sollen – oder es gar nicht erst versuchen.

 

Barrieren im Alltag: Unsichtbar für Hörende, spürbar für Taube Menschen

David erlebt täglich, wie wenig barrierefrei unsere Gesellschaft ist. Die Probleme sind vielseitig – und oft unbemerkt von Hörenden:

Kommunikation ohne Zugang

Ob im Supermarkt, beim Arzt, in der Schule oder im Beruf: Gespräche sind für die meisten Menschen selbstverständlich. Für David jedoch sind sie eine Hürde. Denn kaum jemand spricht Gebärdensprache. Spontane Dialoge sind so kaum möglich. Oft bleibt nur die schriftliche Kommunikation – doch das ist mühsam, unpersönlich und selten wirklich barrierefrei.

Fehlender Zugang zu Informationen

Durchsagen an Bahnhöfen, Lautsprechermeldungen in Behörden, Ansagen bei Veranstaltungen – all das erreicht David nicht. Wenn es keine visuellen Anzeigen oder Gebärdensprachdolmetscher gibt, bleibt ihm wichtige Information schlicht verborgen.

Soziale Isolation

Telefonate, Gruppengespräche, schnelle Wortwechsel – für Hörende sind sie Teil des Alltags. Für Taube Menschen wie David bedeuten sie oft Ausschluss. Viele Freundschaften bleiben oberflächlich, weil tiefere Gespräche an der Sprachbarriere scheitern. Das Gefühl, „nicht dazuzugehören“, begleitet ihn immer wieder.

 

Davids Engagement: Für eine hörende Gesellschaft, die sieht

Doch David schweigt nicht. Im Gegenteil: Er nutzt seine Stimme – die Stimme seiner Hände – um sich Gehör zu verschaffen. Seine Wünsche an die Gesellschaft sind klar:

Gebärdensprache früh und breit lehren

David fordert, dass die Deutsche Gebärdensprache (DGS) in Kindergärten und Schulen als Wahlpflichtfach angeboten wird. So können Berührungsängste abgebaut und gegenseitiges Verständnis gefördert werden. Denn Sprache ist der Schlüssel zu Teilhabe.

Dolmetscher im Alltag ermöglichen

Behördengänge, Arzttermine oder öffentliche Veranstaltungen sollten nicht ohne Dolmetscher:innen stattfinden. David plädiert für gesetzlich abgesicherte Dolmetsch-Leistungen in allen Lebensbereichen – ohne lange Wartezeiten oder komplizierte Beantragungen.

Mehr visuelle Informationen

Alle wichtigen öffentlichen Informationen sollten in Textform oder als Gebärdensprachvideo angeboten werden – nicht nur als Tonspur. Auch TV, Streaming-Plattformen und soziale Medien sollten Untertitel und DGS standardmäßig integrieren.

4. Offenheit statt Mitleid

David möchte keine Sonderbehandlung, sondern echte Begegnung. Er wünscht sich, dass Menschen mutiger werden im Umgang mit Taube Menschen – mit Händen sprechen, Blicke lesen, gemeinsam Wege zur Verständigung finden. Mimik, Gestik, Schrift – all das reicht oft aus, um Kontakt aufzubauen.

 

Fazit: Barrierefreiheit ist kein Luxus, sondern ein Menschenrecht

David aus Dillingen lebt in einer Gesellschaft, die ihn oft nicht hört – aber er hat gelernt, sich trotzdem bemerkbar zu machen. Mit Engagement, Geduld und klaren Forderungen setzt er sich dafür ein, dass Taube Menschen nicht länger unsichtbar bleiben. Seine Geschichte zeigt, wie viel Potenzial in nonverbaler Kommunikation steckt – und wie viel reicher unsere Gesellschaft wäre, wenn sie bereit wäre, zuzuhören – auch ohne Ton.

Wer wirklich barrierefrei leben möchte, muss mehr tun, als Rampen bauen. Es braucht Verständnis, Lernbereitschaft und konkrete Veränderungen in Bildung, Behörden, Medien und Alltag. Davids Wunsch ist einfach, aber wirkungsvoll: Eine Welt, in der niemand sich ausgeschlossen fühlen muss – egal ob hörend oder taub. Seine Botschaft: „Ich bin nicht sprachlos – ich spreche anders. Hört mir zu!“

Bild: David

Related Posts

This site is registered on wpml.org as a development site. Switch to a production site key to remove this banner.