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Codas als Gebärdensprach-Dozenten ausgeschlossen?

by info@deaf24.com

Bei einer Zoom-Veranstaltung der KOGEBA, an der überwiegend gehörlose Teilnehmende vertreten waren, wurde diskutiert, wer als Dozentin oder Dozent für Deutsche Gebärdensprache (DGS) arbeiten darf.
Die Mehrheit sprach sich dafür aus, dass nur taube Personen Gebärdensprache unterrichten sollten.
Codas – hörende Kinder gehörloser Eltern – sollen ausgeschlossen bleiben, selbst wenn sie DGS als Muttersprache beherrschen.
Deaf24 sieht diese Entwicklung mit Sorge.

Codas: Muttersprache, Kultur und Lebensrealität

Codas wachsen mit der Gebärdensprache und der Gehörlosenkultur auf.
Sie erwerben DGS von klein auf als Erstsprache und leben täglich zwischen beiden Welten.
Trotz dieser engen Verbindung wird Codas häufig unterstellt, dass ihre Hörfähigkeit („hearing privilege“) sie disqualifiziere, als Dozentin oder Dozent tätig zu sein.

Auch in der Vergangenheit gab es wiederholt Ablehnungen gegenüber Codas:
Vor etwa 10 bis 15 Jahren bot ein Coda dem Deutschen Gehörlosenbund (DGB) einen Vortrag über die Lebenswelt von Codas an – dieser wurde abgelehnt.
Bis heute hält diese Haltung an. Auf der Zoom-Veranstaltung wurde dies von zwei anwesenden Vertretern des DGB erneut bestätigt.

Auswirkungen auf die Fachkräftesituation und Marktöffnung

Die bewusste Ausgrenzung von Codas hat erhebliche Folgen:
Bereits heute gibt es einen deutlichen Mangel an qualifizierten Gebärdensprachdozenten (GSD).
Viele Kurse sind überfüllt, lange Wartelisten sind die Regel, und die Auswahlmöglichkeiten für Lernende sind eingeschränkt.

Codas könnten hier schnell und effektiv helfen:
Eine einzige Coda-Dozentin oder ein Coda-Dozent könnte mindestens 20 Teilnehmer unterrichten.
Das würde nicht nur die Kursangebote verbessern, sondern auch dringend benötigte Entlastung schaffen.

Eine Öffnung des Marktes würde:

  • mehr GSD-Einsätze ermöglichen,
  • die Konkurrenz beleben und die Qualität steigern,
  • Probleme wie Terminmangel und Wartelisten verringern,
  • den Gehörlosen mehr Wahlfreiheit bei der Auswahl ihrer Lehrkräfte geben.

Die aktuellen Hürden verhindern jedoch genau diese positiven Effekte.

Unzufriedenheit in der Deaf-Community wächst

Deaf24 stellt fest:
Viele Gehörlose sind zunehmend unzufrieden mit den Landesverbänden der Gehörlosen und vor allem mit dem Deutschen Gehörlosenbund (DGB).
Immer lauter werden die Forderungen nach mehr Wahlfreiheit und Selbstbestimmung darüber, welche GSD sie benötigen – anstatt weiterhin an starre Regeln und bürokratische Vorgaben gebunden zu sein.

Hier geht es nicht um „medizinische Hygiene“ oder standardisierte Abläufe, sondern um echte menschliche Verständigung.
In der Realität gibt es hunderte verschiedene Gebärdensprachformen unter jungen und älteren Gehörlosen – und sie verständigen sich problemlos.
Diese Vielfalt wird von den Betroffenen gelebt und akzeptiert, ohne dass formale Normen dies verhindern.

Gehörlose bauen selbst unnötige Barrieren auf

Deaf24 sieht es als unverständlich an, dass die Deaf-Community einerseits regelmäßig über den Mangel an GSD-Einsätzen klagt, andererseits aber selbst neue Hürden errichtet, die eine Lösung erschweren.

Die Ablehnung gegenüber Codas verschärft die bereits angespannte Lage und steht im Widerspruch zu den Forderungen nach Inklusion, Vielfalt und Selbstbestimmung.

Eine staatliche Prüfung sorgt ohnehin dafür, dass die Qualität der Lehrkräfte unabhängig von ihrem Hörstatus geprüft wird.
Ob eine Lehrkraft hört oder taub ist, sollte keine ausschlaggebende Rolle spielen – entscheidend sind Kompetenz, Sprachbeherrschung und kulturelles Verständnis.

Fazit: Offenheit statt Abschottung

Wenn die Deaf-Community echte Inklusion fordert, sollte sie auch innerhalb der eigenen Strukturen Offenheit leben.
Codas sind kein „hearing privilege“ – sie sind Teil der Gebärdensprachgemeinschaft. Ihre Erfahrungen, Kompetenzen und ihr Engagement sollten anerkannt und gefördert werden.

Deaf24 spricht sich klar für folgende Punkte aus:

  • Gleiche Chancen für Codas und taube Menschen als Gebärdensprach-Dozenten,
  • Marktöffnung zur Verbesserung der GSD-Situation,
  • Wettbewerb und Wahlfreiheit für die Gehörlosen,
  • Verzicht auf neue Barrieren und Spaltungen innerhalb der Community.

Nur durch Zusammenarbeit und gegenseitige Anerkennung kann die Gebärdensprache langfristig gestärkt werden – und nur so können echte Verbesserungen für alle erreicht werden.

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