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Arbeitsagenturen und IFD unter schwerer Kritik

by info@deaf24.com

Taube Menschen stoßen in Deutschland immer noch auf viele Barrieren, wenn es um die Suche nach einem Arbeitsplatz geht. Obwohl es gesetzliche Regelungen zur Gleichstellung gibt, zeigen Erfahrungen aus der Praxis: Arbeitsagenturen, Integrationsfachdienste (IFD) und auch Verbände wie die Landesverbände der Gehörlosen (LV) oder der Deutsche Gehörlosen-Bund (DGB) sind oft unzureichend vorbereitet. Die Folge sind Missverständnisse, Diskriminierungen und fehlende Informationen.

Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Situation, die typischen Probleme bei der Arbeitsplatzvermittlung für taube Menschen und gibt Tipps, wie Betroffene und Organisationen besser mit diesen Herausforderungen umgehen können.

 

Fehlende Gebärdensprachdolmetscher (GSD) bei den Arbeitsagenturen

Ein zentrales Problem für taube Arbeitssuchende ist der fehlende Zugang zu Gebärdensprachdolmetschern. Viele Arbeitsagenturen bestellen keine Dolmetscher, obwohl sie dazu verpflichtet sind. In manchen Fällen wird die Verantwortung an die Betroffenen selbst abgegeben, was zu Unsicherheit führt.

Die Folge: Gespräche laufen oft ohne ausreichende Kommunikation. Missverständnisse entstehen, wichtige Informationen gehen verloren und die Chancen auf eine erfolgreiche Vermittlung sinken drastisch. Für taube Menschen bedeutet das nicht nur Frust, sondern auch eine klare Benachteiligung.

 

Kommunikationsbarrieren im Alltag der Arbeitsagenturen

Neben dem Mangel an GSD sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Agenturen häufig nicht geschult im Umgang mit tauben Menschen. Schriftliche Kommunikation ist oft schwer verständlich, da die Briefe und Formulare in kompliziertem Amtsdeutsch verfasst sind.

Viele Arbeitsvermittler verschicken neue Stellenangebote per Brief mit Bericht und einem kurzen „Tschüß“. Eine aktive Kontaktaufnahme mit Firmen findet meist nicht statt, obwohl bekannt ist, dass taube Arbeitssuchende oft Unterstützung brauchen, um sich mit Arbeitgebern in Verbindung zu setzen. Das erschwert die Jobsuche zusätzlich erheblich.

Zudem fehlen einfache Hilfsmittel wie Videodolmetsch-Systeme oder eine Grundkenntnis in Deutscher Gebärdensprache (DGS). Dadurch werden Beratungsgespräche unklar oder unmöglich. Viele Betroffene berichten von einem Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.

 

Diskriminierende Erfahrungen bei der Vermittlung

Taube Menschen berichten, dass sie von Arbeitsvermittlern häufig in bestimmte Berufsrichtungen gedrängt werden. Typische Beispiele sind Tätigkeiten als Reinigungskraft, Lagerarbeiter oder Haushaltshilfen.

Diese Jobs sind zwar schnell zu vermitteln, bringen aber meist keine langfristige Perspektive, keine Aufstiegsmöglichkeiten und nur ein geringes Einkommen. Kritiker vermuten, dass es dabei nicht um die Bedürfnisse der Betroffenen geht, sondern um den schnellen „Erfolg“ der Arbeitsagentur oder des IFD – also eine schnelle Vermittlung, die in der Statistik gut aussieht.

Das Ergebnis: viele taube Arbeitssuchende landen in schlecht bezahlten und körperlich anstrengenden Berufen, obwohl sie durchaus Fähigkeiten und Potenzial für andere Arbeitsfelder haben.

 

Integrationsfachdienste (IFD) – Hilfe oder Sackgasse?

Die Arbeitsagenturen verweisen taube Arbeitssuchende häufig an den Integrationsfachdienst (IFD). Der IFD ist eigentlich dafür zuständig, schwerbehinderte Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Doch die Erfahrungen vieler Betroffener sind kritisch:

  • Unqualifizierte Arbeitsplätze: Oft vermittelt der IFD einfache Tätigkeiten wie Reinigungskraft, Lagerist oder Hilfsarbeiten. Diese Arbeitsplätze entsprechen selten den Wünschen oder Qualifikationen der Betroffenen.
  • Start ohne GSD: In den ersten Tagen einer neuen Tätigkeit erfolgt die Eingliederung häufig ohne Dolmetscher. Dadurch entstehen Missverständnisse und taube Arbeitnehmer fühlen sich von Beginn an isoliert.
  • Zu späte Hilfe: Viele Gehörlose finden qualifizierte Arbeitsplätze oft selbst – ohne Unterstützung des IFD. Wenn der IFD eingeschaltet wird, kommt die Hilfe häufig zu spät oder die Wartezeiten sind zu lang.

Die Folge: Statt echte Perspektiven zu eröffnen, verstärkt der IFD häufig das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.

 

Verantwortung der Verbände und Institutionen

Neben den Behörden tragen auch die Landesverbände der Gehörlosen (LV) und der Deutsche Gehörlosen-Bund (DGB) Verantwortung. Viele taube Menschen kritisieren, dass es kaum Aufklärung gibt.

Es fehlen leicht verständliche Flyer, Informationsmaterialien oder Online-Hinweise, die Betroffene über ihre Rechte gegenüber der Arbeitsagentur informieren. Dadurch wissen viele nicht, dass sie Anspruch auf GSD haben oder wie sie sich gegen Diskriminierungen wehren können.

Hier entsteht ein Teufelskreis: mangelnde Information führt zu Abhängigkeit von Behörden, die wiederum nicht ausreichend geschult sind.

 

Lange Wartezeiten – ein strukturelles Problem

Ob bei Arbeitsagenturen oder beim IFD: die Wartezeiten sind oft sehr lang. Bis ein Dolmetscher bestellt wird, bis ein Termin frei ist oder bis Rückmeldungen erfolgen, vergehen manchmal Wochen oder sogar Monate.

Für taube Arbeitssuchende bedeutet das Stillstand. Bewerbungen verzögern sich, Jobchancen gehen verloren und die Motivation sinkt.

Die Bundesregierung kritisiert die Arbeitsagenturen für diese Situation: Es wird festgestellt, dass kaum Vermittlungen erfolgreich stattfinden und die Maßnahmen für taube Arbeitssuchende oft unzureichend sind.

 

Tipps für taube Arbeitssuchende

  1. Rechte kennen: Taube Menschen haben Anspruch auf Gebärdensprachdolmetscher bei Terminen mit der Arbeitsagentur. Diese Kosten müssen übernommen werden.
  2. Alles schriftlich einfordern: Wichtig ist, Anträge und Beschwerden immer schriftlich einzureichen, um Nachweise zu haben.
  3. Unterstützung suchen: Selbsthilfegruppen oder Beratungsstellen für Gehörlose können helfen, den Kontakt zur Arbeitsagentur oder zum IFD zu verbessern.
  4. Alternativen prüfen: Nicht nur auf die Arbeitsagentur verlassen – Bewerbungen direkt bei Unternehmen oder über Netzwerke der Gehörlosen-Community können Chancen erhöhen.
  5. Feedback geben: Diskriminierungen oder schlechte Erfahrungen sollten dokumentiert und an die zuständigen Stellen gemeldet werden. So entsteht Druck auf die Institutionen, Veränderungen einzuleiten.

 

Fazit

Die Arbeitsplatzvermittlung für taube Menschen in Deutschland ist nach wie vor von vielen Hindernissen geprägt. Fehlende Dolmetscher, ungeschulte Mitarbeiter, diskriminierende Vermittlungen, lange Wartezeiten und fehlende Unterstützung bei der Kontaktaufnahme mit Arbeitgebern machen es Betroffenen schwer, gleichberechtigt am Arbeitsmarkt teilzunehmen.

Arbeitsagenturen, IFD und auch die Gehörlosenverbände tragen Verantwortung dafür, dass sich diese Situation verbessert. Notwendig sind klare Informationen, bessere Organisation, aktive Unterstützung und eine stärkere Einbeziehung der tauben Menschen selbst.

Nur so kann aus der aktuellen Situation eine echte Chance auf Teilhabe werden. Arbeit bedeutet nicht nur Einkommen, sondern auch Selbstständigkeit, Anerkennung und Lebensqualität.

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