Im Nigeria, einem Land mit über 230 Millionen Einwohnern, sind Menschen mit Hörbehinderung lange Zeit vom religiösen Leben ausgeschlossen gewesen. Viele taube, schwerhörige Menschen hatten keinen Zugang zu Gottesdiensten oder biblischen Lehren in einer Sprache, die sie verstehen. Doch in Lagos zeigt eine Kirche, dass Inklusion möglich ist: Die „Christian Mission for the Deaf“ bietet Gottesdienste in Gebärdensprache an. Diese Initiative öffnet Türen für eine bisher ausgegrenzte Gemeinschaft und bricht traditionelle Vorurteile über Behinderung auf dem afrikanischen Kontinent.
Gottesdienste in Gebärdensprache: Ein Zeichen der Inklusion
Die „Christian Mission for the Deaf“ in Lagos richtet sich speziell an Menschen mit Hörbehinderung. Pastor Remi Akinremi, einer der Leiter der Kirche, erklärt: „Die Gesellschaft in Afrika dachte lange, dass Taubheit, Blindheit oder andere Behinderungen eine Strafe oder Fluch seien. Viele Menschen wurden zu Priestern oder in spezielle Kirchen geschickt, in der Hoffnung auf ein Wunder. Aber das funktioniert nicht so. Dass wir durch unsere Hände, durch die Gebärdensprache, kommunizieren können, ist das eigentliche Wunder.“
Jeden Sonntag predigt Pastor Akinremi auf Gebärdensprache und übermittelt die biblische Botschaft direkt an die gehörlosen Gemeindemitglieder. Die Gottesdienste bieten nicht nur spirituelle Orientierung, sondern auch einen sozialen Raum, in dem gehörlose Menschen miteinander in Kontakt treten können. Viele dieser Menschen lebten zuvor isoliert innerhalb ihrer Familien, ohne die Möglichkeit, mit Gleichgesinnten zu kommunizieren.
„Die Gehörlosenkirche ist sehr wichtig für uns“, sagt Akinremi. „Sie gibt uns die Möglichkeit, Christus kennenzulernen, und gleichzeitig schaffen wir eine Gemeinschaft für Menschen wie uns. Früher wussten wir nicht, dass es andere gehörlose Menschen gibt, mit denen wir kommunizieren können. Die Gebärdensprache und die Kirche geben uns diese Möglichkeit.“
Herausforderungen für Menschen mit Behinderungen in Nigeria
Nigeria gilt international als Land mit nur begrenzter Infrastruktur für Menschen mit Behinderung. Obwohl es gesetzliche Regelungen gibt, die diese Bevölkerungsgruppe schützen sollen, fehlen oft praktische Umsetzung und staatliche Unterstützung. Barrierefreie Kirchen, Bildungsangebote oder öffentliche Einrichtungen sind selten.
Die National Association of the Deaf Nigeria schätzt, dass etwa 9,5 Millionen der insgesamt 232 Millionen Nigerianer gehörlos oder schwerhörig sind. Diese Zahlen verdeutlichen die Bedeutung von Angeboten wie der „Christian Mission for the Deaf“, die gezielt auf die Bedürfnisse dieser großen, aber oft übersehenen Bevölkerungsgruppe eingeht.
Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung sind in vielen Teilen Nigerias tief verwurzelt. Traditionelle Ansichten über „Flüche“ oder „Strafen Gottes“ führten dazu, dass Betroffene stigmatisiert und von der Gesellschaft ausgeschlossen wurden. Kirchen, die Gebärdensprache einführen, setzen ein starkes Zeichen gegen Diskriminierung und für Gleichberechtigung.
Bedeutung der Gebärdensprache in religiösen Kontexten
Die Gebärdensprache ist mehr als ein Kommunikationsmittel – sie ist ein kulturelles und soziales Bindeglied. Für die gehörlose Gemeinschaft bedeutet sie Zugang zu Bildung, Religion und sozialen Netzwerken. Pastor Akinremi betont, dass die Fähigkeit, in der eigenen Sprache zu kommunizieren, Freiheit und Selbstbestimmung zurückgibt.
In einer Gesellschaft, die Menschen mit Behinderung oft übersehen hat, wirkt die Kirche als Vorbild. Sie zeigt, dass Religion inklusiv sein kann und dass Barrieren überwunden werden können, wenn Initiativen von engagierten Menschen getragen werden.
Fazit
Die „Christian Mission for the Deaf“ in Lagos ist ein leuchtendes Beispiel für Inklusion in Nigeria. Durch Gottesdienste in Gebärdensprache erhalten gehörlose Menschen nicht nur spirituelle Orientierung, sondern auch soziale Anerkennung und Gemeinschaft. Pastor Remi Akinremi und sein Team brechen alte Vorurteile auf und zeigen, dass Gebärdensprache in religiösen Kontexten mehr als nur Kommunikation ist – sie ist ein Schlüssel zur Teilhabe und Selbstbestimmung.
Für die nigerianische Gehörlosengemeinschaft bedeutet diese Initiative Hoffnung und Perspektive: Die Kirche wird zum sicheren Raum, in dem Menschen nicht nur Gott begegnen, sondern auch einander finden. Dies könnte Vorbild für andere Kirchen und Organisationen im Land sein, um Inklusion weiter voranzutreiben.

