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Gemeinsam stark: Ein Restaurant lernt Gebärdensprache

by info@deaf24.com

Viele Gehörlose kennen die Situation: Bewerbungen bleiben erfolglos, weil Arbeitgeber unsicher sind, wie Kommunikation gelingen kann. Oft heißt es, es sei „zu kompliziert“ oder „zu teuer“. Doch ein Restaurant im französischen Hendaye zeigt, dass es auch anders geht. Dort arbeitet ein gehörloser Koch Seite an Seite mit hörenden Kolleginnen und Kollegen – alle haben Gebärdensprache gelernt. Das Ergebnis: ein besseres Miteinander, weniger Missverständnisse und eine Atmosphäre von Respekt und Zusammenhalt.

Diese Geschichte ist nicht nur inspirierend, sondern auch ein Beispiel, das zeigt: Inklusion ist möglich, wenn alle bereit sind, ein Stück aufeinander zuzugehen.

 

 

Der Anfang: Ein Tauber Koch findet seinen Platz

Fred Lafaurie ist von Geburt an gehörlos und hat eine Ausbildung an einer Hotelfachschule absolviert. Trotz seiner Qualifikation war die Jobsuche für ihn schwierig. Viele Restaurants lehnten ihn ab, weil sie sich die Zusammenarbeit nicht vorstellen konnten. Er hörte immer wieder dieselben Vorurteile: zu aufwendig, zu viele Kommunikationshürden, zu teuer mit Dolmetscher.

Doch in Hendaye, einer Stadt im französischen Baskenland, änderte sich für ihn alles. Im Restaurant Ttiki Baci traf er auf den Besitzer Bixente Toyos. Die beiden kannten sich schon – Fred war dort oft Gast. Aus einem Gespräch entstand eine Idee: Warum nicht gemeinsam arbeiten?

 

Schritt für Schritt zur gemeinsamen Sprache

Als Fred seine Arbeit in der Küche begann, war die Kommunikation zunächst eine Herausforderung. Die Kollegen verständigten sich mit Notizen auf einem Whiteboard oder mit Gesten. Manchmal waren es eher Improvisationen und Mimik als klare Sätze.

Doch das Team wollte mehr. Auf Initiative des Chefs wurde eine Gebärdensprachdozentin eingeladen. Zweimal im Monat nahmen alle Mitarbeitenden an Kursen teil. Dort lernten sie nicht nur alltägliche Begriffe für den Küchenalltag, sondern auch die Grundprinzipien der Gebärdensprache.

Heute läuft vieles reibungslos. Ein Handzeichen reicht, um den Gargrad eines Steaks oder eine Bestellung abzustimmen. Statt Chaos oder Zeitverlust ist die Arbeit effizienter geworden – und ruhiger.

 

Stimmen aus dem Team

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war die Umstellung zunächst ungewohnt.

Maïka Duhalde, die im Service arbeitet, erinnert sich:

„Am Anfang dachte ich, es würde uns ausbremsen. Ich musste Fred antippen, ihm Zeichen geben. Aber schnell habe ich gemerkt: Es ist überhaupt kein Hindernis. Im Gegenteil – durch Gesten können wir sogar über Distanz kommunizieren.“

Mit der Zeit ist die Gebärdensprache für sie so selbstverständlich geworden, dass sie auch zuhause ihre Hände beim Sprechen bewegt.

Auch Chef Bixente Toyos zieht ein positives Fazit:

„Wir sprechen sowieso oft mit den Händen. Die Gebärdensprache passt perfekt dazu. Sie sollte eigentlich universell sein.“

 

Warum so wenige Arbeitgeber diesen Weg gehen

Die Geschichte von Ttiki Baci ist besonders, weil sie leider noch selten vorkommt. Viele gehörlose Bewerber berichten von Absagen und mangelnder Bereitschaft, sich auf Kommunikation einzulassen.

Fred selbst erlebte diese Hürden deutlich:

„Viele Firmen wollen keine Gebärdensprache lernen. Sie denken sofort, ein Dolmetscher sei zu teuer. Es gibt viele Barrieren, und oft haben Gehörlose das Nachsehen.“

Dieses Beispiel zeigt jedoch, dass es nicht immer hohe Kosten braucht. Ein wenig Bereitschaft und Neugier können bereits reichen, um Missverständnisse zu vermeiden und ein Team zusammenzuschweißen.

 

Eine Auszeichnung für gelebte Inklusion

Die Mühe des Teams blieb nicht unbemerkt. Anfang Juni erhielt das Restaurant Ttiki Baci den „Makilaks de l’économie“, einen Preis der Handelskammer Bayonne. Damit wurde die gelebte Inklusion öffentlich anerkannt.

Für Fred ist das eine Bestätigung:

„Ich bin stolz, hier zu arbeiten. Stolz, dass wir gemeinsam die Gebärdensprache gelernt haben. Das ist ein tolles Gefühl.“

Die Kolleginnen und Kollegen sehen es genauso. Für sie ist das Restaurant längst mehr als nur ein Arbeitsplatz – es ist eine kleine Familie, in der jeder den anderen unterstützt.

 

Tipps für andere Arbeitgeber

Die Erfahrung in Hendaye zeigt: Inklusion muss kein Hindernis sein. Damit mehr Unternehmen diesen Schritt wagen, helfen einige einfache Tipps:

  1. Offenheit zeigen: Bereitschaft, Neues zu lernen, ist wichtiger als Perfektion. Auch kleine Schritte in der Gebärdensprache sind wertvoll.
  2. Schulungen im Team: Gemeinsame Kurse fördern nicht nur die Kommunikation, sondern auch das Wir-Gefühl.
  3. Technik nutzen: Notizen auf Whiteboards, Chatprogramme oder kleine Hilfsmittel können anfangs Brücken bauen.
  4. Geduld haben: Am Anfang kostet es vielleicht Zeit, doch schon bald wird der Ablauf effizienter.
  5. Vorurteile abbauen: Gehörlose sind nicht weniger leistungsfähig. Mit barrierefreier Kommunikation können sie ihre Stärken voll einbringen.

 

Fazit

Das Beispiel des Restaurants Ttiki Baci zeigt, dass Inklusion nicht nur möglich, sondern auch bereichernd ist. Ein Team, das Gebärdensprache lernt, schafft mehr als nur bessere Kommunikation: Es baut Vorurteile ab, fördert Vertrauen und stärkt das Miteinander.

Für viele Gehörlose ist es frustrierend, immer wieder auf verschlossene Türen zu stoßen. Deshalb ist diese Geschichte so wichtig: Sie macht Mut und zeigt, dass eine offene Haltung und der Wille zur Verständigung den Unterschied machen können.

Vielleicht inspiriert das Beispiel von Hendaye auch andere Arbeitgeber. Denn am Ende profitieren alle – Gehörlose, Hörende und die gesamte Gesellschaft.

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