Home Discapacidad auditivaIntérpretes de signosWarum direkte GSD-Buchungen für Taube Menschen unfair sind

Warum direkte GSD-Buchungen für Taube Menschen unfair sind

by info@deaf24.com

In Deutschland haben taube Menschen das Recht auf barrierefreie Kommunikation – dazu gehört auch die Unterstützung durch Gebärdensprachdolmetscherinnen (GSD). In der Theorie klingt das einfach: Wenn man einen Termin hat, bestellt man einen Dolmetscher*in, und der Einsatz findet statt. In der Praxis jedoch gibt es viele Hürden, die das Leben Tauber Menschen erschweren.

Ein immer größer werdendes Problem: Die direkte Buchung von GSD ohne Vermittlungsstelle. Was zunächst wie eine flexible Lösung aussieht, führt zu Chaos, Ungerechtigkeit und Unsicherheit – besonders für Taube Menschen.

In diesem Beitrag erklären wir die Hintergründe, zeigen Beispiele aus der Praxis und geben Tipps, wie die Organisation von GSD-Einsätzen gerechter und übersichtlicher gestaltet werden kann.

 

Wenn GSD ohne Vermittlung gebucht werden: Das Problem

In Deutschland arbeiten viele GSD freiberuflich. Sie sind also selbstständig und können selbst entscheiden, welche Einsätze sie annehmen und wie sie sich organisieren. Manche Dolmetscher*innen lassen sich direkt von tauben Personen anfragen – ohne Umweg über eine offizielle GSD-Vermittlung.

Für hörende Auftraggeber*innen mag das eine Erleichterung sein. Für Taube Menschen hingegen bringt diese Praxis gravierende Nachteile mit sich:

  • Die GSD-Vermittlungsstellen wissen nicht, wann und wo Einsätze stattfinden.
  • Es entstehen Lücken, Überschneidungen und lange Wartezeiten.
  • Die Zuteilung wird intransparent.

Die Vermittlungsstellen können ihre Aufgabe – einen fairen, strukturierten und gleichberechtigten Zugang zu Dolmetschleistungen – nicht mehr erfüllen, wenn Dolmetscher*innen direkt ohne Vermittlung gebucht werden.

 

Beispiel aus dem Alltag: Zwei Anfragen – zwei Wartezeiten

Ein typisches Beispiel, das viele Taube Menschen kennen:

Eine taube Person beantragt einen Dolmetscher über die offizielle GSD-Vermittlung. Die Rückmeldung: Wartezeit vier Wochen.
Wenige Tage später trifft dieselbe Person einen Bekannten, der denselben Dolmetscher privat kontaktiert hat – und nur eine Woche auf seinen Einsatz warten musste.

Solche Situationen lösen Frust aus. Viele fragen sich zu Recht: Warum werde ich auf die lange Warteliste gesetzt, während andere über private Kontakte schneller Hilfe bekommen?

Diese Art von ungleicher Behandlung wird von vielen Betroffenen als Diskriminierung erlebt – auch wenn sie auf den ersten Blick nicht sichtbar ist.

 

Weitere Probleme: Persönliche Ablehnung und Intransparenz

Noch ein sensibler Punkt: Manche Dolmetscher*innen lehnen Aufträge von bestimmten tauben Personen ab – z. B. wegen persönlicher Konflikte, früherer Kritik oder Problemen bei der Abrechnung.

Solche Gründe sind nachvollziehbar, aber sie führen dazu, dass die Neutralität nicht mehr gegeben ist. Besonders problematisch ist es, wenn GSD anhand von Namen entscheiden, ob sie einen Einsatz annehmen oder nicht.

Gerade Menschen, die politisch aktiv sind oder sich öffentlich äußern, berichten häufiger davon, dass sie keine GSD finden – obwohl andere im selben Zeitraum bedient werden.

 

Freiberuflich – aber kein Luxus-Service wie beim Maler oder Friseur

Gebärdensprachdolmetscher*innen (GSD) sind freiberuflich tätig. Das bedeutet: Sie können selbst entscheiden, welche Einsätze sie annehmen, wann sie arbeiten und wie sie sich organisieren. Diese Freiheit ist gesetzlich erlaubt – und auf den ersten Blick auch verständlich.

Doch: Für taube Menschen ist ein Dolmetsch-Einsatz keine «Luxus-Dienstleistung» wie beim Maler, bei der KFZ-Werkstatt oder beim Friseur. Es geht nicht um freiwillige Angebote, sondern um eine soziale Notwendigkeit.

Ohne GSD können viele wichtige Situationen nicht bewältigt werden:

  • Arbeitsplätze gehen verloren, weil Bewerbungsgespräche oder Teamgespräche nicht verstanden werden.
  • Ärztliche Behandlungen müssen unterschrieben werden – ohne, dass man weiß, was genau im Vertrag oder in der Aufklärung steht.
  • In Elterngesprächen mit Schulen oder beim Jugendamt entstehen Missverständnisse, weil keine Dolmetschunterstützung vorhanden ist.
  • In Behörden, bei Gericht oder bei der Polizei ist der Zugang zur Information massiv eingeschränkt – obwohl es um wichtige Rechte geht.

Taube Menschen sind hier nicht freiwillig, sondern zwangsläufig auf Dolmetscher*innen angewiesen. Die freie Entscheidung der GSD darf nicht dazu führen, dass die Grundbedürfnisse tauber Menschen ignoriert werden.

Deshalb braucht es ein System, das den freien Beruf der GSD mit der sozialen Verantwortung gegenüber Tauben Menschen in Einklang bringt. Und das geht nur mit klarer Vermittlung, guter Planung – und einer fairen Übersicht über alle Einsätze.

 

Faire Lösung: Vermittlung mit Wahlfreiheit kombinieren

Eine mögliche und faire Lösung wäre: Alle Dolmetsch-Anfragen sollen über die GSD-Vermittlung laufen – aber mit Wunschrecht.

Das bedeutet:
Taube Menschen dürfen weiterhin selbst entscheiden, welchen Dolmetscher oder welche Kommunikationshilfe sie möchten.
Aber: Die Vermittlung verwaltet alle Anfragen zentral und hat so den Überblick:

  • Wer steht auf der Warteliste?
  • Wann und wo findet welcher Einsatz statt?
  • Welche GSD sind verfügbar und in welcher Region unterwegs?

So kann verhindert werden, dass jemand durch private Kontakte bevorzugt wird, während andere wochenlang warten müssen.

 

Tipps für taube Menschen

  • Immer einen Antrag bei der GSD-Vermittlung stellen, auch wenn man einen bestimmten Dolmetscher möchte. So bleibt der Vorgang nachvollziehbar.
  • Frühzeitig planen: Wer wichtige Termine hat, sollte sich rechtzeitig um eine GSD kümmern – mindestens 3–4 Wochen im Voraus.
  • Rückmeldung geben: Wenn es Ungleichbehandlungen oder Probleme gibt, sollte das bei der Vermittlung dokumentiert werden. Nur so können Verbesserungen erfolgen.
  • Solidarität untereinander: Keine «Geheimtipps» oder Bevorzugungen weitergeben, sondern gemeinsam für faire Regeln eintreten.

 

Fazit: Ohne klare Organisation bleibt es unfair

Direktbuchungen von GSD mögen in Einzelfällen schneller wirken – sie schaffen aber eine Parallelstruktur, die langfristig zu Chaos, Benachteiligung und Unsicherheit führt.

Taube Menschen haben ein Recht auf gleichberechtigte Dolmetschversorgung – unabhängig von Bekanntschaften, Beziehungen oder persönlicher Beliebtheit.

Daher sollte das System so gestaltet werden, dass alle GSD-Einsätze über die Vermittlungsstellen laufen, aber gleichzeitig die Wünsche der tauben Menschen berücksichtigt werden.

Nur mit mehr Transparenz, Planung und Zusammenarbeit kann die Situation für alle fairer werden – für die GSD, für die Vermittlungen und vor allem für die Taube Menschen selbst.

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