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Taube Frau berichtet im Missbrauchsprozess über Vergewaltigung

by info@deaf24.com

Vor dem Zentralen Strafgericht in Irland läuft derzeit ein aufsehenerregender Prozess um mutmaßlichen sexuellen Missbrauch innerhalb einer Familie über viele Jahre. Eine gehörlose Frau erhebt schwere Vorwürfe gegen sieben männliche Angehörige – darunter ihre drei Onkel und vier Brüder. Der Fall, der 98 Anklagepunkte umfasst, wird von einem 15-köpfigen Geschworenengericht verhandelt und ist besonders komplex, da die Hauptzeugin mit Unterstützung durch Gebärdensprachdolmetscher und Fachpersonen aussagt.

 

Aussage der gehörlosen Zeugin

Die Frau, heute Mitte 30, sagte vor Gericht aus, sie sei in ihren 20ern von einem ihrer Onkel vergewaltigt worden. Dieser Mann, in den Unterlagen als „Angeklagter A“ bezeichnet, bestreitet alle Vorwürfe. Ihm wird eine Tat zwischen Dezember 2009 und April 2011 zur Last gelegt.

Nach Darstellung der Frau geschah der Übergriff in der Wohnung des Onkels. Sie erklärte mithilfe einer Dolmetscherin für Irische Gebärdensprache und einer weiteren gehörlosen Kommunikationshelferin, dass sie in Panik geriet, als sie aufwachte und bemerkte, was geschah. Sie habe versucht, sich verbal zu wehren und flüchtete kurz darauf aus der Wohnung.

Die Frau beschrieb den Vorfall als schmerzhaft und betonte, dass kein Schutz verwendet worden sei. Nach eigenen Angaben hatte sie vor dem Ereignis Alkohol getrunken und sei eingeschlafen. Die Aussagen wurden durch eine Sprachwissenschaftlerin begleitet, die half, Missverständnisse bei der Übersetzung komplexer Begriffe zu vermeiden.

 

Umfangreiche Anklage gegen sieben Familienmitglieder

Insgesamt sind sieben Männer im Alter zwischen 32 und 55 Jahren angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, die gehörlose Frau zwischen 1996 und 2013 wiederholt sexuell missbraucht zu haben. Die Fälle umfassen verschiedene Formen von Übergriffen, darunter Vergewaltigung und analer Missbrauch.

  • Angeklagter A (55 Jahre): Wird wegen eines einzelnen Falles der Vergewaltigung beschuldigt.
  • Angeklagter B (48 Jahre): Ihm werden acht Taten vorgeworfen, darunter mehrere Vergewaltigungen und analer Missbrauch.
  • Angeklagter C (34 Jahre): Dieser Bruder der Frau steht wegen 45 Anklagepunkten vor Gericht – 22 Vergewaltigungen und 23 analen Übergriffen über einen Zeitraum von zwölf Jahren. Darüber hinaus soll er zwei weitere jüngere Schwestern sexuell missbraucht haben.
  • Angeklagter D (33 Jahre): Wird beschuldigt, seine Schwester über elf Jahre hinweg missbraucht zu haben – 19 Vorwürfe der Vergewaltigung und drei des analen Missbrauchs.
  • Angeklagter E (32 Jahre): Ihm wirft die Staatsanwaltschaft 16 Fälle innerhalb von acht Jahren vor, neun davon sind analer Missbrauch, sieben Vergewaltigungen.
  • Angeklagter F (32 Jahre): Wird in fünf Fällen angeklagt, darunter drei analer Missbrauch und zwei Vergewaltigungen.
  • Angeklagter G (45 Jahre): Ein weiterer Onkel, gegen den ein einzelner Vergewaltigungsvorwurf aus den Jahren 1996 bis 1997 besteht.

Alle Angeklagten weisen die Vorwürfe zurück.

 

Gerichtliche Unterstützung und Schutz für die Zeugin

Da die Hauptzeugin gehörlos ist, wurde vor Gericht ein spezielles Unterstützungssystem eingerichtet. Zwei Dolmetscherinnen – eine für Irische Gebärdensprache und eine gehörlose Vermittlerin (Deaf Relay Interpreter) – übersetzen ihre Aussagen. Gleichzeitig begleitet eine linguistische Fachperson die Befragung, um sicherzustellen, dass die Bedeutung ihrer Antworten korrekt wiedergegeben wird.

Diese besondere Form der Unterstützung gilt als entscheidend, um eine faire Aussage für gehörlose Personen zu ermöglichen, da Gerichtsverhandlungen sonst stark von mündlicher Kommunikation abhängen. Fachleute betonen, wie wichtig es ist, dass gehörlose Zeug*innen sich sicher fühlen und verstanden werden, ohne dass durch Sprachbarrieren Missverständnisse entstehen.

 

Bedeutung für die Deaf-Community

Der Fall sorgt in der irischen Deaf-Community für große Aufmerksamkeit. Er verdeutlicht, wie massiv Kommunikationsbarrieren in juristischen Verfahren sein können, wenn keine ausreichende Dolmetsch- oder Fachunterstützung vorhanden ist. Viele Organisationen sehen hier einen Anlass, die Barrierefreiheit des Justizsystems grundsätzlich zu überprüfen.

Auch psychosoziale Unterstützungsangebote für gehörlose Opfer von Gewalt sind oft unzureichend. Beratungen finden selten in Gebärdensprache statt, und Betroffene müssen häufig lange Wege gehen, um Hilfe zu erhalten.

 

Ablauf des Prozesses

Der auf etwa vier Monate angelegte Prozess wird von einer erweiterten Jury mit 15 Personen begleitet. Diese Struktur soll der Komplexität des Falls gerecht werden und sicherstellen, dass alle Zeugenaussagen sorgfältig geprüft werden.
Da alle Beteiligten aus derselben Familie stammen, hat das Gericht strikte Anonymität angeordnet. Es dürfen keine Namen veröffentlicht werden, um den Schutz der Betroffenen zu gewährleisten.

 

Unterstützung und Anlaufstellen

Wer von sexualisierter Gewalt betroffen ist, kann sich in Irland an die Dublin Rape Crisis Centre wenden (Telefon 1800 77 8888). Dort steht Unterstützung vertraulich und kostenlos zur Verfügung. Informationen in leichter oder barrierefreier Sprache finden sich unter drcc.ie.

Für gehörlose Betroffene werden auch Video-Relay-Beratung und Online-Chatmöglichkeiten angeboten. Fachleute empfehlen, sich frühzeitig an spezialisierte Krisenteams oder Rechtsberatungsstellen zu wenden, da Verfahren oft belastend und emotional fordernd sind.

 

Fazit

Der laufende Prozess offenbart nicht nur ein erschütterndes Bild mutmaßlicher Gewalt innerhalb einer Familie, sondern auch die Herausforderungen, die gehörlose Opfer im Rechtssystem bewältigen müssen. Neben juristischer Aufarbeitung geht es auch darum, sensiblere und barrierefreie Verfahren zu schaffen. Für die Deaf-Community ist dieser Fall damit ein Mahnzeichen, dass Gleichberechtigung vor Gericht nur dann Realität wird, wenn Kommunikation in Gebärdensprache selbstverständlich ermöglicht wird.

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