Home Non udentiPolitikAusgerechnet beim Gehörlosengeld: Landtag mit Panne

Ausgerechnet beim Gehörlosengeld: Landtag mit Panne

by info@deaf24.com

Am 29. Oktober 2025 wurde im Landtag eine wichtige Debatte zum Thema Gehörlosengeld live übertragen. Doch genau in dem Moment, als die Politikerinnen und Politiker mit der inhaltlichen Diskussion begannen, fiel die Technik aus. Der Livestream funktionierte mehrere Minuten lang nicht. Als die Übertragung schließlich wieder lief, war zunächst die Gebärdensprachdolmetscherin nicht zu sehen. Für viele gehörlose Zuschauerinnen und Zuschauer war das ein frustrierendes und enttäuschendes Erlebnis.

 

Ein Ausfall im schlechtesten Moment

Die Landtagssitzungen sollen allen Bürgerinnen und Bürgern offenstehen. Dafür werden sie regelmäßig im Internet live gestreamt. Viele Menschen, besonders aus der Deaf-Community, verfolgen solche Übertragungen, wenn Themen wie Inklusion oder finanzielle Leistungen für hörbehinderte Menschen behandelt werden.

Umso unangenehmer war es, dass ausgerechnet zu Beginn der Debatte über das Gehörlosengeld die Technik versagte. Mehrere Minuten war kein Bild, kein Ton und keine Übersetzung in Gebärdensprache verfügbar. Als der Stream zurückkehrte, fehlte zunächst das Bild der Dolmetscherin in Deutscher Gebärdensprache. Erst später wurde die Verdolmetschung eingeblendet.

Für gehörlose Zuschauer bedeutete das: Sie verpassten die ersten Redebeiträge komplett. Damit waren sie in einem entscheidenden Moment ausgeschlossen – bei einer Diskussion, die ihr eigenes Thema betrifft.

Besonders ärgerlich: Für die hörenden Zuschauerinnen und Zuschauer funktionierte der Livestream nach kurzer Zeit wieder problemlos. Nur für die Gehörlosen gab es weiterhin eine Panne – sie sahen zwar das Bild der Politiker, aber nicht die Gebärdensprachdolmetscherin, die für sie entscheidend ist, um den Inhalt zu verstehen.

 

Reaktionen aus der Deaf-Community

Im Anschluss an die Sitzung war die Empörung groß. In sozialen Netzwerken und in Foren der Deaf-Community wurde vielfach über die Panne gesprochen. Viele Menschen fühlten sich nicht ernst genommen. Einige bezeichneten den Vorfall als Symbol für den Umgang mit Barrierefreiheit in der Politik: oft gute Absichten, aber mangelhafte Umsetzung.

Andere erinnerten daran, dass technische Fehler passieren können. Dennoch sei es Aufgabe des Landtags, bei sensiblen Themen eine doppelte technische Sicherung zu gewährleisten – also zum Beispiel eine zweite Videoverbindung oder ein Backup-System für die Gebärdensprachübertragung. Auch ein sofortiges Informationsfenster im Stream hätte helfen können, um das Publikum über die Störung zu informieren.

 

Verantwortung und Prävention

Technische Pannen können viele Gründe haben: Softwareprobleme, defekte Leitungen, Stromausfälle oder Bedienfehler. Doch bei offiziellen Übertragungen aus politischen Gremien ist die Verantwortung besonders hoch. Der Landtag ist nicht irgendein Streamanbieter. Er hat den Auftrag, staatliche Arbeit für alle Bürger zugänglich zu machen.

Spezialisten für barrierefreie Medien weisen seit Jahren darauf hin, dass Livestreams mehrfache Sicherungen brauchen. Dazu gehören:

  • zwei getrennte Übertragungswege, falls ein Signal ausfällt
  • eigenständige Ton- und Videoleitungen für Gebärdensprachdolmetschende
  • ein verantwortliches Technikteam mit Erfahrung im barrierefreien Streaming
  • schnelle Kommunikation bei Störungen, etwa durch Texttafel oder Untertitel

Solche Vorkehrungen würden verhindern, dass Menschen ausgeschlossen werden, wenn Fehler auftreten.

 

Bedeutung des Gehörlosengeldes

Das Gehörlosengeld, das in der Sitzung diskutiert wurde, ist eine wichtige finanzielle Unterstützung für gehörlose Menschen. Es soll Nachteile im Alltag ausgleichen, die durch den Hörverlust entstehen. In Deutschland ist die Höhe des Gehörlosengeldes von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Manche Länder zahlen monatlich rund 77 Euro, andere über 180 Euro.

In der Debatte am 29. Oktober ging es wohl um eine mögliche Anpassung der Beträge sowie um einen gerechteren Ausgleich zwischen den einzelnen Bundesländern. Viele Gehörlose verfolgten die Sitzung, weil sie sich davon mehr Gerechtigkeit und politische Anerkennung erhofften.

Gerade deshalb war der Zeitpunkt der technischen Panne so ungünstig. Viele Zuschauer fühlten sich, als wäre ihre Stimme im politischen Prozess nicht gehört oder sichtbar.

 

Reaktion des Landtags

Nach dem Vorfall reagierte die technische Abteilung des Landtags mit einer kurzen Mitteilung. Man bedauere die Störung und arbeite daran, ähnliche Probleme in Zukunft zu vermeiden. Details zu Ursache oder Ablauf wurden bisher nicht veröffentlicht.

Einige Abgeordnete äußerten Verständnis für den Ärger der Deaf-Community. Es wurde angekündigt, dass die betroffene Debatte nachträglich vollständig – mit Gebärdensprachdolmetschung und Untertiteln – auf der Website des Landtages bereitgestellt wird. Ob das ausreicht, um Vertrauen zurückzugewinnen, bleibt abzuwarten.

 

Tipps für barrierefreie Livestreams

Für Veranstalter, Verwaltungen und Medien gibt es mehrere erprobte Empfehlungen, um barrierefreie Liveübertragungen sicherzustellen:

  • Vorab eine technische Generalprobe durchführen, bei der auch der Gebärdensprachkanal getestet wird.
  • Immer eine Ersatzkamera und eine zweite Internetleitung bereithalten.
  • Ein Notfallgrafiksystem einrichten, das sofort eine Texttafel anzeigen kann („Technische Störung, bitte warten“).
  • Eine nachträgliche, barrierefreie Aufzeichnung online stellen, falls während des Livestreams etwas ausfällt.
  • Das Feedback der Deaf-Community regelmäßig einholen, um Qualitätsprobleme zu erkennen.

 

Fazit

Die technische Panne im Landtag zeigt, wie schnell Barrierefreiheit verloren gehen kann, wenn Systeme nicht sorgfältig gesichert sind. Besonders schmerzhaft ist dies, wenn genau die Menschen betroffen sind, um deren Anliegen es geht.

Damit solche Situationen nicht wieder passieren, sollten Parlamente und öffentliche Institutionen ihre Livestream-Strukturen überprüfen, Fachkräfte für barrierefreie Übertragungen einsetzen und konsequent auf Rückmeldungen der gehörlosen Nutzerinnen und Nutzer reagieren.

Politische Teilhabe beginnt mit Sichtbarkeit und Zugänglichkeit – und die darf technisch niemals vom Zufall abhängen.

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