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Hat der BGSD e.V. zu viel Macht?

by info@deaf24.com

Der Bundesverband der GebärdensprachdolmetscherInnen Deutschlands (BGSD) e.V. ist der größte Berufsverband für GebärdensprachdolmetscherInnen in Deutschland. Viele Behörden, Ministerien und Krankenkassen hören auf die Stimme dieses Verbandes, wenn es um Fragen rund um Dolmetschdienste geht.

Doch es gibt Diskussionen: Hat der BGSD zu viel Macht? Manche Gehörlose und ihre Organisationen fühlen sich nicht ausreichend vertreten. Sie kritisieren, dass die Interessen der DolmetscherInnen oft im Mittelpunkt stehen – nicht die Bedürfnisse der Gehörlosen.

In diesem Artikel erklären wir ausführlich, welche Rolle der BGSD hat, welche Vorteile und Nachteile sein Einfluss bringt, und welche Fragen für die Zukunft wichtig sind.

 

Die Rolle des BGSD e.V.

  • Der BGSD ist ein Berufsverband. Er vertritt die beruflichen Interessen von GebärdensprachdolmetscherInnen in Deutschland.
  • Er setzt sich für Qualität und Professionalität im Dolmetschen ein, zum Beispiel durch staatlich geprüfte Abschlüsse.
  • Der Verband ist in vielen politischen Gremien präsent. Dadurch hat er direkten Zugang zu Entscheidungsträgern in Ministerien und Verwaltungen.
  • Viele Behörden sehen den BGSD als „Fachstimme“ und nehmen seine Vorschläge ernst.

Das bedeutet: Der BGSD hat großen Einfluss darauf, wie das Dolmetschsystem in Deutschland organisiert wird.

 

Kritik von Gehörlosen

Viele Gehörlose äußern Bedenken. Ihre wichtigsten Kritikpunkte sind:

  1. Machtungleichgewicht
    Der BGSD vertritt die DolmetscherInnen – nicht die Nutzer. Gehörlose fühlen sich oft nicht gleichberechtigt eingebunden.
  2. Eingeschränkte Wahlfreiheit
    Nur DolmetscherInnen mit Diplom werden meist bezahlt. Kommunikationshilfen oder erfahrene Gehörlose ohne formales Diplom dürfen nicht eingesetzt werden, obwohl viele Nutzer sie lieber hätten.
  3. Zugangsprobleme
    Wenn DolmetscherInnen fehlen oder Termine absagen, gibt es oft keine Entschädigung für die Gehörlosen. Die Nutzer sind in dieser Situation benachteiligt.
  4. Einseitige Sichtweise
    Entscheidungen werden häufig aus Sicht der DolmetscherInnen getroffen, nicht aus Sicht derjenigen, die den Dienst brauchen.

 

JVEG und andere Einsätze: Strikte Trennung notwendig

Ein zentrales Problem betrifft das JVEG (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz).

  • Dieses Gesetz regelt die Bezahlung von DolmetscherInnen bei Gerichtsverfahren.
  • In der Praxis wird das JVEG aber oft auch für Einsätze bei Ärzten, Ämtern, Schulen oder anderen Behörden herangezogen.

Viele Experten sagen: Das ist falsch. Denn Einsätze außerhalb von Gerichten haben andere Anforderungen und sollten getrennt geregelt werden.

Aussagen von Behörden und Ärzten

Mehrere Behörden, Schulen und Ärzte haben gegenüber Deaf24 deutlich gemacht:

  • Sie benötigen nicht unbedingt staatlich anerkannte DolmetscherInnen mit Diplom.
  • Für sie reichen oft auch Kommunikationsassistenzen mit Zertifikat aus.
  • Wichtig ist, dass die Verständigung funktioniert – nicht, dass ein Diplom vorhanden ist.

Das zeigt: Die Praxis ist flexibler, als der BGSD es darstellt.

 

Wahlrecht der Gehörlosen

Im Gesetz steht klar: Jede gehörlose Person hat das Wahlrecht, selbst zu entscheiden, wer sie unterstützt.

  • Gehörlose dürfen selbst wählen, ob sie einen Dolmetscher mit Diplom oder eine Kommunikationsassistenz einsetzen.
  • Behörden müssen diese Entscheidung akzeptieren.
  • Es geht nicht nur um Kosten oder Formalitäten, sondern um Selbstbestimmung.

Das bedeutet: Der Zwang, ausschließlich diplomierte DolmetscherInnen einzusetzen, widerspricht eigentlich dem Wahlrecht der Gehörlosen.

 

Qualität und Kosten: Ein Missverständnis

Ein weiteres Problem ist die Gleichsetzung von Preis und Qualität.

  • DolmetscherInnen mit Diplom verlangen oft sehr hohe Stundensätze.
  • Das bedeutet aber nicht automatisch, dass sie auch die besten Dolmetschleistungen erbringen.
  • Viele Gehörlose berichten, dass Kommunikationshilfen ohne Diplom oft zuverlässiger und kultursensibler sind.

Hier zeigt sich: Hohe Preise sind kein Beweis für hohe Qualität.

 

Fehlende Unterstützung durch Gehörlosenverbände

Ein besonders kritischer Punkt betrifft die Rolle der eigenen Interessenvertretungen:

  • Viele Gehörlose berichten, dass sie sich vom Deutschen Gehörlosen-Bund e.V. (DGB) und von den Landesverbänden der Gehörlosen nicht ausreichend vertreten fühlen.
  • Nach Ansicht dieser Betroffenen schauen die Verbände seit Jahrzehnten immer wieder weg, wenn es um zentrale Themen wie Wahlrecht bei Dolmetschern oder Kritik am BGSD geht.
  • Statt klar Stellung zu beziehen, überlassen sie das Feld häufig dem BGSD.

Das führt aus Sicht vieler Gehörloser dazu, dass ihre Stimme zu schwach bleibt, während die DolmetscherInnen-Verbände ihren Einfluss weiter ausbauen.

 

Pro-Argumente: Warum der BGSD wichtig ist

  • Qualitätssicherung: Der BGSD sorgt dafür, dass DolmetscherInnen gut ausgebildet sind und professionell arbeiten. Das kann die Kommunikation sicherer machen.
  • Politischer Einfluss: Der Verband ist bekannt und anerkannt. Ohne ihn wäre die Stimme der DolmetscherInnen in der Politik schwach.
  • Standardisierung: Einheitliche Regeln für Dolmetschen helfen Behörden, Kosten zu planen und Missbrauch zu verhindern.
  • Berufsschutz: Durch den BGSD bekommen DolmetscherInnen bessere Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung, was langfristig auch für mehr Fachkräfte sorgen kann.

 

Contra-Argumente: Warum der BGSD kritisiert wird

  • Wenig Mitsprache der Gehörlosen: Entscheidungen werden oft getroffen, ohne die Bedürfnisse der Nutzer ausreichend einzubeziehen.
  • Ausschluss von Alternativen: Kommunikationshilfen ohne Diplom werden kaum anerkannt, obwohl sie für viele Gehörlose hilfreicher und vertrauter sind.
  • Verfestigung von Strukturen: Der BGSD stärkt ein System, das die DolmetscherInnen bevorzugt, aber die Flexibilität für Gehörlose einschränkt.
  • Abhängigkeit: Weil Behörden fast nur den BGSD hören, haben Gehörlosenverbände weniger Gewicht. Das kann zu Ungleichbehandlung führen.
  • Falsche Verknüpfung mit JVEG: Dolmetschleistungen bei Ärzten oder Behörden werden unnötig an Gerichtsstandards gekoppelt. Das benachteiligt die Nutzer.
  • Kostenfalle: Hohe Preise garantieren keine Qualität – sie belasten aber die Budgets von Krankenkassen und Sozialämtern.
  • Passivität der Gehörlosenverbände: Nach Meinung vieler Betroffener greifen DGB und Landesverbände seit Jahrzehnten zu wenig ein und stärken damit indirekt die Dominanz des BGSD.

 

Tipps für die Deaf-Community

  • Fragen stellen: Wenn ihr bei Behörden oder Krankenkassen Probleme habt, fragt nach, warum bestimmte Regeln gelten.
  • Dokumentieren: Schreibt auf, wenn Termine ausfallen oder ihr keine DolmetscherInnen bekommt. Diese Informationen sind wichtig, um Druck zu machen.
  • Wahlrecht einfordern: Nutzt euer Recht, selbst zu entscheiden, wer euch unterstützt. Verweist auf die gesetzlichen Grundlagen.
  • Zusammenarbeiten: Schließt euch mit anderen Gehörlosen zusammen, um eure Forderungen stärker zu vertreten.
  • Verbände unter Druck setzen: Fragt beim DGB und euren Landesverbänden nach, warum sie das Thema nicht offensiv anpacken.
  • Öffentlichkeit nutzen: Berichtet über Probleme in Medien, Blogs oder sozialen Netzwerken, damit das Thema sichtbar bleibt.

 

Fazit

Der BGSD e.V. spielt eine zentrale Rolle im Dolmetschsystem in Deutschland. Sein Einfluss sorgt für Qualität, Anerkennung und starke Strukturen. Doch gleichzeitig führt seine Macht dazu, dass die Interessen der Gehörlosen oft zu kurz kommen.

Das Beispiel des JVEG zeigt deutlich: Dolmetschleistungen außerhalb von Gerichten müssen anders geregelt werden. Ärzte, Schulen und Behörden bestätigen selbst, dass sie nicht zwingend staatlich anerkannte DolmetscherInnen brauchen. Für sie reichen auch Kommunikationsassistenzen mit Zertifikat.

Gehörlose haben laut Gesetz ein Wahlrecht, selbst zu entscheiden, wer sie unterstützt. Dieses Recht muss in der Praxis endlich ernst genommen werden.

Kritisch bleibt zudem: Viele Gehörlose empfinden, dass der Deutsche Gehörlosen-Bund und die Landesverbände seit Jahrzehnten zu wenig eingreifen. Dadurch bleibt die Nutzerperspektive schwach, während DolmetscherInnen-Verbände wie der BGSD ihre Macht weiter ausbauen.

Die entscheidende Frage lautet also: Soll die Kommunikation von oben durch Verbände bestimmt werden – oder dürfen Gehörlose selbst entscheiden, wie sie verstanden werden wollen?

 

Disclaimer

Dieser Bericht wurde nach bestem Wissen und mit sorgfältiger Recherche erstellt. Er enthält sowohl Fakten als auch die Erfahrungen, Wahrnehmungen und Meinungen vieler Gehörloser. Ziel ist es, Probleme sichtbar zu machen und Diskussionen anzuregen.
Deaf24 übernimmt keine Haftung für Vollständigkeit oder Richtigkeit externer Aussagen. Alle genannten Institutionen oder Verbände werden kritisch, aber sachlich betrachtet.

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