In den Vereinigten Staaten, im Bundesstaat Georgia, gab es große Probleme für gehörlose und schwerhörige Menschen, die unter Bewährungsaufsicht standen oder aus dem Gefängnis entlassen worden waren und unter sogenannten „parole“- oder „probation“-Bedingungen weiter vom Staat überwacht wurden.
Diese Menschen mussten viele Regeln einhalten, um nicht wieder ins Gefängnis zu kommen. Aber die zuständige staatliche Behörde – das „Georgia Department of Community Supervision“ (abgekürzt GDCS) – hat gehörlosen Menschen keine geeignete Kommunikation angeboten. Es gab keine Gebärdensprachdolmetscher oder andere Kommunikationshilfen. Viele Menschen bekamen nur gesprochene oder schriftliche Erklärungen – obwohl sie nichts verstehen konnten. Sie wurden also schlechter behandelt als hörende Personen. Das war ein klarer Verstoß gegen die Rechte von Menschen mit Behinderung.
Die Folge:
Einige gehörlose Menschen konnten die Auflagen der Behörde nicht einhalten – nicht, weil sie nicht wollten, sondern weil sie die Regeln nicht verstanden hatten. Zwei Betroffene mussten sogar ins Gefängnis, weil sie durch die fehlende Kommunikation angeblich Regeln verletzt hatten. Dabei hätte es diese Missverständnisse nicht gegeben, wenn die Behörde von Anfang an barrierefreie Kommunikation angeboten hätte.
Was hat die ACLU getan?
Die amerikanische Bürgerrechtsorganisation ACLU (American Civil Liberties Union) hat gemeinsam mit ihren Partnern die Behörde GDCS im Jahr 2019 verklagt. Sie vertraten mehrere gehörlose und schwerhörige Menschen, die durch die Aufsichtsbehörde diskriminiert wurden.
Ziel der Klage war: Die Behörde soll alle notwendigen Kommunikationshilfen bereitstellen, damit gehörlose Menschen die gleichen Chancen haben wie hörende Menschen – insbesondere, um die Bewährungszeit oder andere Formen der Überwachung erfolgreich zu bestehen und nicht erneut ins Gefängnis zu kommen.
Nach fünf Jahren rechtlichem Streit gab es im Mai 2024 einen großen Erfolg: Die Behörde in Georgia musste sich verpflichten, gehörlose Menschen ab sofort fair und barrierefrei zu behandeln.
Was genau wurde vereinbart? Was wurde erreicht?
Die wichtigsten Punkte des Vergleichs zwischen der ACLU und der Aufsichtsbehörde:
1. Kommunikationsprüfung und individueller Plan
Jede gehörlose oder schwerhörige Person, die unter Aufsicht steht (also zum Beispiel nach der Haft auf Bewährung freikommt), bekommt eine sogenannte Kommunikationsbewertung. Das bedeutet: Fachleute prüfen, welche Form von Kommunikation die Person braucht – zum Beispiel:
- Gebärdensprachdolmetscher vor Ort
- Dolmetscher per Video
- Texte in einfacher Sprache
- Informationen in Gebärdensprache
Auf Basis dieser Bewertung erstellt die Behörde einen persönlichen Kommunikationsplan. Dieser Plan legt genau fest, welche Hilfen im Einzelfall notwendig sind.
2. Einsatz von gehörlosen Dolmetschern (Deaf Interpreters)
Die Behörde verpflichtet sich, sogenannte Deaf Interpreters einzusetzen, wenn das nötig ist. Das sind gebärdensprachkompetente Dolmetscher, die selbst gehörlos sind. Sie arbeiten gemeinsam mit hörenden Dolmetschern.
Diese Kombination ist besonders wichtig für gehörlose Menschen, die während ihrer Kindheit oder im Gefängnis keine ausreichende Sprachförderung erhalten haben. Viele dieser Menschen leiden unter sogenannter Sprachdeprivation – das heißt, sie konnten in jungen Jahren keine Gebärdensprache lernen, weil ihnen der Zugang dazu fehlte. Das führt zu dauerhaften sprachlichen und kognitiven Problemen. Für diese Menschen reicht ein normaler hörender Gebärdensprachdolmetscher oft nicht aus. Erst durch einen gehörlosen Dolmetscher ist eine echte Verständigung möglich.
3. Klare Regeln zur Video-Dolmetschung (VRI)
Wenn Dolmetscher per Video eingesetzt werden, darf das nicht auf kleinen Geräten wie Smartphones passieren. Die Bildqualität muss hoch sein, das Bild muss groß genug sein und die Internetverbindung stabil. Außerdem muss sichergestellt sein, dass die betroffene gehörlose Person die Inhalte wirklich verstanden hat – es reicht nicht, einfach nur einen Dolmetscher zu zeigen.
Ein Beispiel: Ein gehörloser Mann sollte eine komplizierte Liste mit Bewährungsbedingungen unterschreiben. Er hatte nur einen Video-Dolmetscher auf einem kleinen Bildschirm. Er konnte den Inhalt nicht gut verstehen und bat darum, ein Foto des Dokuments zu machen, um es später mit Hilfe eines Deaf Interpreters zu klären. Ohne diese Hilfe hätte er etwas unterschrieben, was er nicht verstand – und damit vielleicht seine Freiheit riskiert.
4. Informationen nicht nur schriftlich
Früher hat die Behörde viele wichtige Informationen nur schriftlich übergeben. Gehörlose, die nicht gut Englisch lesen oder schreiben können, hatten dadurch einen Nachteil. Mit dem neuen Abkommen verpflichtet sich die Behörde, diese Informationen auch in Gebärdensprache oder in leicht verständlicher Form anzubieten. Niemand darf benachteiligt werden, weil er schriftliche Texte nicht versteht.
Die ACLU hat außerdem ein neues Regelwerk zur Barrierefreiheit erstellt. Dieses ist übersetzt in amerikanische Gebärdensprache (ASL) und in einfacher Schriftsprache. So können alle Menschen das Regelwerk verstehen – auch Personen mit geringen Lese- und Schreibfähigkeiten.
5. Verpflichtung für alle Programme und Kurse
Viele Menschen auf Bewährung müssen bestimmte Programme oder Kurse besuchen – zum Beispiel Kurse über Drogenmissbrauch, Gewaltvermeidung oder Arbeitssuche. In der Vergangenheit haben viele Anbieter solcher Programme sich geweigert, Dolmetscher bereitzustellen. Gehörlose konnten die Kurse nicht richtig besuchen – und dadurch kam es zu Problemen mit der Aufsichtsbehörde.
Jetzt muss die Behörde sicherstellen, dass alle Anbieter gesetzlich verpflichtet sind, barrierefreie Kommunikation zu ermöglichen. Wer keine Dolmetscher stellt, darf künftig keine Programme für die Behörde mehr anbieten.
Wie geht es jetzt weiter?
Die ACLU wird die Umsetzung des Abkommens in Georgia für vier Jahre lang überwachen. Die Behörde muss regelmäßig Berichte und Belege liefern, um zu zeigen, dass sie sich an die Vereinbarung hält. Sollte es neue Verstöße geben, kann die ACLU sofort wieder rechtliche Schritte einleiten.
Warum ist das wichtig für andere Bundesstaaten?
Dieses Abkommen betrifft offiziell nur den Bundesstaat Georgia. Aber es ist ein wichtiges Signal für alle anderen US-Bundesstaaten. Denn das amerikanische Behindertenrecht – insbesondere das „Americans with Disabilities Act“ (ADA) und der „Rehabilitation Act“ – gilt in allen Staaten.
Alle Bewährungsbehörden in den USA sind verpflichtet, gehörlosen und behinderten Menschen barrierefreie Kommunikation und angemessene Hilfen zur Verfügung zu stellen. In der Praxis passiert das jedoch oft nicht.
Ein weiteres Beispiel: In Washington D.C. (der Hauptstadt der USA) zeigt eine neue Untersuchung, dass Menschen mit psychischen oder anderen Behinderungen fast doppelt so häufig wieder ins Gefängnis kommen – oft wegen kleiner Regelverstöße, wie zum Beispiel das Versäumen eines Termins.
Fazit: Ein großer Erfolg, aber noch viel Arbeit
Die ACLU und die betroffenen gehörlosen Menschen in Georgia haben einen wichtigen Sieg errungen. Sie haben gezeigt, dass Diskriminierung durch staatliche Behörden nicht geduldet werden darf – auch nicht gegenüber Menschen mit Behinderung. Der Fall zeigt deutlich: Ohne barrierefreie Kommunikation drohen Menschen, unschuldig bestraft zu werden.
Dieser Erfolg kann nun als Vorbild für andere Klagen in den USA dienen. Gleichzeitig zeigt er, wie wichtig es ist, dass gehörlose Menschen und ihre Unterstützer für ihre Rechte kämpfen – auch mit rechtlichen Mitteln.
Wenn du möchtest, kann ich dir zusätzlich eine barrierefreie DGS-freundliche Struktur entwerfen – mit kurzen Sätzen, die Dolmetscher*innen für Videoübersetzungen nutzen können. Soll ich das tun?

