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Jobcenter muss defekte Haushaltsgeräte ersetzen

by info@deaf24.com

Ein aktuelles Urteil des Sozialgerichts Kiel sorgt für Aufsehen: Ein Bürgergeld-Empfänger bekam Recht, nachdem seine Waschmaschine kaputtging und das Jobcenter die Kostenübernahme verweigerte. Das Gericht entschied, dass die Anschaffungskosten für ein neues Gerät als Mehrbedarf anzuerkennen sind – und das Jobcenter zahlen muss. Der Fall zeigt deutlich, wie groß die Lücke zwischen theoretischen Regelungen und der Lebensrealität vieler Betroffener ist.

Für viele Bürgergeld-Beziehende sind Ersatzbeschaffungen wie Waschmaschinen, Kühlschränke oder Herde keine Frage des Luxus, sondern des täglichen Lebens. Dennoch müssen sie häufig lange kämpfen, um Unterstützung zu erhalten.

 

Das Urteil – Was passiert ist

Im Mittelpunkt steht ein Mann, der vom Bürgergeld lebt. Seine Waschmaschine war irreparabel defekt. Eine neue Maschine sollte rund 389 Euro kosten, hinzu kamen etwa 30 Euro Versandkosten. Der Betroffene beantragte beim Jobcenter die Übernahme der Kosten, da er die Anschaffung nicht selbst bezahlen konnte.

Das Jobcenter lehnte ab und verwies auf den Regelbedarf – also die monatliche Pauschale, in der angeblich auch ein kleiner Anteil für Rücklagen enthalten ist. Diese Begründung überzeugte das Gericht jedoch nicht.

Das Sozialgericht Kiel stellte klar:

„Der vorgesehene Anteil im Regelbedarf für Ersatzbeschaffungen ist so gering, dass eine zeitnahe Anschaffung faktisch unmöglich ist.“

Damit entschied das Gericht zugunsten des Antragstellers und verpflichtete das Jobcenter, die Kosten für die Waschmaschine zu übernehmen.

 

Warum das Urteil wichtig ist

Das Urteil ist mehr als nur ein Einzelfall. Es zeigt, wie unrealistisch die Annahme ist, dass Bürgergeld-Beziehende aus dem monatlichen Regelbedarf Rücklagen für teure Haushaltsgeräte bilden können.

Nach Berechnungen des Gerichts wären im Regelbedarf für Waschmaschinen nur etwa 1,60 Euro pro Monat vorgesehen. Um den Betrag von 419 Euro (inklusive Versand) anzusparen, müsste man also über 21 Jahre sparen.

In dieser Zeitspanne wäre das alte Gerät längst unbrauchbar. Zudem würden hohe Folgekosten entstehen – etwa durch Waschen per Hand oder die Nutzung eines Waschsalons. Diese Realität steht im Widerspruch zum Grundsatz einer menschenwürdigen Existenzsicherung, der im Sozialrecht verankert ist.

Das Gericht machte deutlich: Die pauschale Regelbedarfsberechnung darf nicht dazu führen, dass Betroffene ohne grundlegende Haushaltsgeräte leben müssen.

 

Was bedeutet das für andere Betroffene?

Das Urteil aus Kiel kann Signalwirkung haben. Es zeigt, dass Jobcenter in bestimmten Fällen verpflichtet sein können, defekte Haushaltsgeräte zu ersetzen – wenn der Bedarf unabweisbar ist und keine finanziellen Rücklagen vorhanden sind.

Dazu zählen Geräte wie:

  • Waschmaschinen
  • Kühlschränke
  • Herde oder Kochplatten
  • Wasserkocher und Mikrowellen (je nach individueller Situation)

In solchen Fällen lohnt es sich, einen Antrag beim Jobcenter zu stellen und auf das Urteil des Sozialgerichts Kiel zu verweisen. Wird der Antrag abgelehnt, kann Widerspruch eingelegt werden.

Wichtig ist, dass Betroffene Belege und Nachweise vorlegen – etwa:

  • Reparaturberichte oder Kostenvoranschläge,
  • Nachweise über das defekte Gerät,
  • Preisangebote für ein einfaches, günstiges Neugerät.

 

So können Sie Ihre Ansprüche besser durchsetzen

1. Antrag schriftlich stellen:
Beantragen Sie die Kostenübernahme schriftlich beim Jobcenter und beschreiben Sie genau, warum das Gerät dringend benötigt wird.

2. Nachweise beilegen:
Fügen Sie Fotos, Rechnungen oder Bestätigungen über den Defekt bei. So wird der Bedarf glaubhaft belegt.

3. Beratung in Anspruch nehmen:
Sozialberatungsstellen oder Rechtsanwälte für Sozialrecht können helfen, den Antrag korrekt zu formulieren oder im Streitfall Widerspruch einzulegen.

4. Auf realistische Kosten achten:
Das Jobcenter muss nur für notwendige und einfache Geräte zahlen – Luxus- oder Markengeräte werden in der Regel nicht übernommen.

5. Bei Ablehnung nicht aufgeben:
Ein Widerspruch lohnt sich häufig. Viele Sozialgerichte haben in ähnlichen Fällen entschieden, dass Haushaltsgeräte zum notwendigen Lebensstandard gehören.

 

Sozialrechtlicher Hintergrund

Das Bürgergeld soll eine menschenwürdige Lebensführung sichern. Dazu zählen auch funktionierende Haushaltsgeräte, die für die Hygiene und den Alltag notwendig sind. Der Regelbedarf ist pauschal berechnet – doch die Praxis zeigt, dass er nicht ausreicht, um Ersatzbeschaffungen abzudecken.

Gerichte erkennen zunehmend an, dass eine starre Anwendung der Pauschalen dem Sozialstaatsprinzip widerspricht. Deshalb kann das Jobcenter in bestimmten Fällen verpflichtet sein, einmalige Leistungen als Mehrbedarf zu gewähren – also zusätzlich zum Bürgergeld.

 

Fazit

Das Urteil des Sozialgerichts Kiel verdeutlicht: Das Jobcenter muss zahlen, wenn defekte Haushaltsgeräte den Alltag unzumutbar erschweren und Rücklagen nicht realistisch sind.

Für Bürgergeld-Beziehende ist das ein wichtiges Signal. Wer betroffen ist, sollte sich nicht scheuen, Unterstützung zu beantragen – und im Zweifel rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Das Urteil zeigt auch, dass die bestehenden Regelsätze dringend überprüft werden müssen. Eine Waschmaschine, ein Kühlschrank oder ein Herd sind keine Luxusartikel, sondern Grundvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben.

Mit einem gut begründeten Antrag, vollständigen Unterlagen und gegebenenfalls rechtlicher Unterstützung lassen sich Ansprüche durchsetzen – wie der Fall aus Kiel beweist.

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